Lindenallee
meine Frau Monika.“ Die Frau trat neben ihn und sie schüttelten einander die Hände.
„Freut mich sehr, Sie kennenzulernen.“ Die Frau sprach mit amerikanischem Akzent und ihre Erscheinung mutete wie die von Karl Mendelssohn, flott und modern an.
„Freut mich auch.“ Paula strahlte sie an.
„Mein Vater hat uns erzählt, dass er es Ihnen zu verdanken hat, Magarete endlich gefunden zu haben. Sie haben ihm damit einen Herzenswunsch erfüllt.“
Paula nickte, ausnahmsweise ohne rot zu werden, obwohl sie gelobt wurde und doch so schlecht damit umgehen konnte. „Mein Beitrag dazu war eher bescheiden“, wiegelte sie dennoch wie gewohnt ab. „Aber jetzt, wo ich die Vergangenheit von beiden kenne, bin ich immer noch fassungslos, welche Schicksalsschläge sie trafen.“ Paula legte eine kurze Pause ein. „Tut mir leid, dass Ihre Mutter so früh gestorben ist. Ich habe ein Foto von ihr gesehen und sie muss eine wunderbare Frau gewesen sein.“ Paula war sich nicht sicher, inwieweit sie mit ihm offen darüber reden konnte. Gespannt wartete sie auf seine Reaktion.
Er überlegte keinen Augenblick und sah Paula mit einem traurigen Zug um seinen Mund an. „Als meine Mutter starb, war ich in Deutschland und arbeitete in Berlin. Sie wollte nicht, dass ich nach Argentinien kam und sie sterben sah.“ Karl schluckte, Monika nahm seine Hand und hielt sie fest umschlossen. Dabei sah sie ihren Mann liebevoll an, bis er sich gesammelt hatte, um fortzufahren.
„Mein Vater rief selten bei mir in Deutschland an. Zu der Zeit war es noch sehr teuer und er musste dafür in die Stadt. Als er sagte, Mama sei gestorben, konnte ich es gar nicht fassen. Meine Trauer wurde zunächst durch Wut verdrängt. Wut darüber, dass sie mir nicht früh genug Bescheid gegeben hatte, wie es um sie stand. Ich wäre sofort zu ihr gereist.“ Er stockte, sein Blick richtete sich in der Lindenallee in die Ferne. „Ein paar Tage später erreichte mich ein Brief aus Argentinien. Die Handschrift erkannte ich sofort. Es war die Handschrift meiner Mutter. Mir stockte der Atem.“ Karl unterbrach sich erneut und holte tief Luft.
Paula beobachtete diesen Mann, der seinem Vater Friedrich so unglaublich ähnlich war. Karl sprach mit einer Liebe über seine Mutter, wie es Friedrich ihr gegenüber auch empfunden hatte.
Karl fand die Worte, um weiterzusprechen. „In dem Brief erklärte sie mir alles. Soweit das überhaupt möglich war. Sie bat mich um Verzeihung, dass sie mir ihre Krankheit verschwiegen hatte. Ich sollte das Bild von ihr behalten, wie es in meiner Erinnerung war, bevor ich nach Deutschland ging. Ich habe lange gebraucht, um ihre Entscheidung zu akzeptieren. Vermutlich kannte sie mich zu gut und wusste, dass ich ihr eines Tages verzeihen werde und ihre Entscheidung verstehe.“ Karl fuhr sich über die Augen. Seine Gefühle hatten sich im Laufe der vielen Jahre nicht verändert. Er vermisste seine Mutter sehr.
Seine Frau Monika strich mitfühlend über seinen Arm. „Ich habe sie leider nie persönlich kennengelernt, was ich sehr bedauere. Ihre Enkelkinder hat Rosalie auch nie gesehen.“ Monika blickte zu Paula. „Und unsere Kinder haben es wie ihr Opa gehalten, sie sind ins Ausland gegangen.“ Bedauern mischte sich in ihre Stimme. „Unsere Tochter Tammy zog es in die USA, unser Sohn Friedrich ist nach Argentinien gegangen.“
„Sie haben Ihren Sohn nach dem Opa benannt?“, erwiderte Paula überrascht.
„Ja, es war meine Idee, ihn nach meinen Vater zu benennen.“ Karls Miene hellte sich bei dem Thema auf. „Unser Sohn hat uns bis heute seinen Vornamen nicht verziehen. Er findet den Namen altmodisch.“ Karl lachte beherzt. „Ich denke, er hat in Argentinien seinen Spitznamen Freddy aus seiner Kindheit beibehalten, das hörte sich in seinen Ohren cooler an.“ Karl schmunzelte bei dem Gedanken daran, wie der kleine Friedrich wütend mit den Füßen aufgestampft hatte und darauf bestand, nur noch Freddy genannt zu werden. Ein Anblick für die Götter.
„Tammy und Freddy sind heute nicht hier?“
„Nein, leider nicht. Die Einladung zur Feier kam zu kurzfristig und sie konnten sich von ihren Verpflichtungen nicht loseisen.“ Karl wedelte vor seinem Gesicht herum, eine Fliege lenkte ihn ab. „Aber mein Vater konnte nicht länger warten. Man weiß ja auch nicht, wie lange noch das ...“ Weiter kam er nicht, denn Kira sprang aufgeregt von ihrem Stuhl auf und rief begeistert: „Da kommen sie!“
Irritiert blickte Paula die
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