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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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welcher Mensch hat dir bloß so wehgetan?“ Sie stand auf und strich Paula über den Kopf.
    Das war zu viel des Guten, Paula brach in Tränen aus. Schluchzend saß sie auf dem Sofa. Ein Weinkrampf schüttelte ihren Körper, die Tränen liefen ihr wie ein Regenbach über das Gesicht. Magarete nahm neben ihr Platz, ergriff ihre Hand und hielt sie fest gedrückt. Sie sagte nichts, wartete ab, bis der Weinanfall in ein leises Schluchzen und Schniefen überging.
    Magarete zog aus ihrer Weste ein Taschentuch hervor und bot es Paula an. Dankbar nahm sie es an und schnaubte laut hinein. Etwas undeutlich begann sie sich zu entschuldigen.
    „Tut mir leid, ich wollte nicht heulen. Das ist mir jetzt echt unangenehm."
    Magarete wischte ihre Entschuldigung weg. „Du brauchst dich deiner Gefühle nicht zu schämen. Du bist ein Mensch, der empfindet. Und wenn einem wehgetan wurde, dann müssen die Gefühle raus. In sich reinfressen geht doch nicht."
    Paula nickte, schnaubte nochmals laut und fand räuspernd ihre Stimme wieder. „Puh, jetzt fühle ich mich komplett entleert, meine Tränenkanäle sind durchgespült, ich kann wieder richtig sehen", versuchte sie einen kleinen Scherz zu machen.
    Magarete nickte lächelnd. „Vielleicht sollte ich heute nicht mehr weitererzählen, das könnte dich zu sehr aufwühlen. Aber ich möchte dich jetzt ungern alleine lassen."
    „Mir geht es gut. Wirklich. Ich fühle mich ziemlich müde, vielleicht gehe ich früh ins Bett. Der Tag war ganz schön lang und so richtig fit bin ich noch nicht. Aber ich würde mich freuen, wenn wir uns morgen wiedersehen. Ich möchte unbedingt deine Geschichte weiterhören", bettelte Paula mit einem Dackelblick, der Magarete zum Lachen brachte.
    „Gerne, dann haben wir für morgen eine Verabredung." Sie stand auf und nahm den leeren Teller vom Tisch. Paula folgte ihr zur Wohnungstür.
    „Morgen kommst du zu mir zum Kaffee. Kuchen bringst du mit." Auf der Türschwelle blieb Magarete stehen und sah Paula an. „Ich sollte dies vielleicht nicht sagen, aber wenn es ein Mann gewesen ist, der dir so wehgetan hat, kann es nicht der Richtige gewesen sein. Irgendwann wirst du wegen ihm keine Tränen mehr vergießen und das ist gut so. Das Leben wartet da draußen auf dich und es hat eine Menge Überraschungen parat. Irgendwann wird der Richtige dabei sein. Da bin ich mir ganz sicher." Magarete drückte Paula aufmunternd die Hand.
    Paula war die Sprache erneut abhandengekommen. Sie nickte und hoffte inständig, dass Magarete Recht hatte. So ganz glauben konnte sie im Moment nicht, dass es jemals wieder gut werden würde.

7
    Den nächsten Morgen erwachte Paula mit verquollenen Augen. Seufzend blickte sie im Bad in den Spiegel. Der Weinanfall von gestern hatte deutliche Spuren hinterlassen. Ihr war es immer noch peinlich, vor Magarete die Fassung verloren zu haben. Sie mochte es nicht, derart vor einem anderen Menschen Gefühle zu zeigen.
    Paula dachte über Magarete und Friedrich nach. Magarete war sich sehr früh sicher gewesen, dass Friedrich ihre große Liebe war. So sicher war sich Paula auch bei Markus gewesen. Hatten sie sich nicht auch ewige Treue geschworen? Und was war davon übrig geblieben?
    Verärgert darüber, dass ihr morgens schon drohte der Tag vermiest zu werden, und zwar von ihr selbst, verschwand sie im Schlafzimmer und zog sich eine Jeans und einen warmen Pullover an. Die Sonne lockte sie aufmunternd an die frische Luft, um einen klaren Kopf zu bekommen.
    Die kalte Nacht hatte die Temperaturen tief in den Keller gedrückt, auf den Bäumen lag ein zarter Hauch von Raureif. Paula atmete tief ein und aus, ihr Atem hinterließ weiße Wölkchen in der Luft. Das erste Mal, seitdem sie hierher gezogen war, erkundete sie bewusst ihre Umgebung. Sie lief durch die Straßen, die vormittags sehr ruhig waren, die Menschen waren zur Arbeit und die Kinder in der Schule. Sie ließ sich durch die Straßen treiben und nahm sich Zeit, das Viertel genauer zu erkunden. Viele der Häuser waren umgeben von einem großen gepflegten Garten, an manchen Ecken standen höhere Wohnblocks.
    Nachdem sie eine breite Allee überquert hatte, kam sie in einen Park mit hohen Bäumen. Die Bäume wirkten mit ihren fast schwarzen Stämmen düster und furchterregend. Bei näherer Betrachtung regte sich das Leben in ihnen, die ersten Triebe schossen mit hellgrüner Farbe dem Sonnenlicht entgegen. Am Boden sprangen Spatzen umher, einige der Tiere genossen laut piepend ein Sandbad in der

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