Lindenallee
eisig kalt und die Frostperiode schien ewig zu dauern. Viele hungerten und froren sich durch den harten Winter.
Im Stillen warf ich meinen Eltern vor, sie zögerten es hinaus, mich gehen zu lassen. Dabei geschah es in Weitsicht und aus Fürsorge. Wer weiß, ob wir in der Stadt genug zu essen bekommen hätten?
Die Zeit zog sich hin und meiner Meinung nach schien das Schicksal gegen mich zu arbeiten und verweigerte mir die Erfüllung meines Traums. Aus den Monaten wurden Jahre!
Im Sommer 1948 war es endlich soweit: Heinz und ich brachen nach Berlin auf. Eine neue, ungewisse Zukunft wartete auf uns, aber wir stellten uns begeistert den neuen Herausforderungen. Dennoch trugen wir eine große Portion Selbstzweifel huckepack mit uns in die Welt.
Paulas Telefon klingelte. „Oh, entschuldige. Rittner.“
„Hallo Paula.“ Es war Steffen. Sie spürte durch das Telefon hindurch, wie er lächelte.
„Hallo Steffen, schön deine Stimme zu hören.“ Sonderbar, das stimmte sogar, stellte sie unerwartet fest.
„Oha, das geht runter wie Butter.“ Steffen lachte gut gelaunt. „Ich wollte hören, ob es schon Neuigkeiten von Herrn Mendelssohn gibt?“
„Nein, noch nicht. Leider. Kann ich dich nachher zurückrufen? Magarete ist da.“
„Dann kannst du vermutlich nicht sprechen.“
„Hmm.“
„Schreib dir meine Nummer auf, damit du mich auch wirklich zurückrufen kannst.“
„Mein Telefon hat deine Nummer jetzt im Speicher. Keine Sorge, ich melde mich.“
„Wer macht sich Sorgen“, erwiderte er ironisch. „Bis später. Viele Grüße an Magarete.“
„Tschüss.“ Paula legte auf. „Schöne Grüße von Steffen.“
Magarete hatte das kurze Telefonat aufmerksam verfolgt und lächelte geheimnisvoll.
„Was denn?“, reagierte Paula irritiert.
Margaretes Lächeln wirkte wie eingemeißelt. „Ach, nichts.“ Sie würde bestimmt nicht Paula auf die Nase binden, was die Spatzen bereits vom Dach pfiffen: Paula und Steffen würden ein wundervolles Paar abgeben. Hoffentlich erkannte dies auch Paula. Irgendwann.
„Ich will dich nicht länger aufhalten.“ Magarete erhob sich. Dann fiel ihr etwas ein. „Den eigentlichen Grund, warum ich zu dir gekommen bin, habe ich glatt vergessen.“ Kopfschüttelnd nahm sie wieder Platz. „Ich bin eben doch schon alt, mein Gedächtnis lässt mich im Stich.“
Paula hob zu einem Widerspruch an, den Magarete mit einer kleinen Handbewegung unterband. „Nein, nein, das ist so.“
„Was hast du denn vergessen?“
„Ich weiß, es hört sich komisch an. Vielleicht hängt es auch nur damit zusammen, dass ich dir so viel aus meiner Vergangenheit erzähle ..... also .... ich weiß nicht wie ...“ Magarete druckste herum und wusste nicht wie sie weitersprechen sollte. Völlig untypisch für sie, bemerkte Paula.
„Heraus mit der Sprache. Worum geht es?“
Magarete atmete einmal tief durch. „Ich habe letzte Nacht geträumt. Ein ganz seltsamer, aber auch wunderbarer Traum. In meinem Traum ist mir Friedrich erschienen. Es war so real. Er kam in der Lindenallee auf mich zu, blieb dicht vor mir stehen und nahm meine Hand. Ich habe seine Hand gespürt. Verrückt, oder?“ Magarete sah Paula forschend an.
Paula schüttelte bedächtig den Kopf. „Das hört sich für mich nicht verrückt an. Durch deine Erinnerungen ist Friedrich in deinen Gedanken so lebendig, wie einst. Ich finde es schön, dass du von ihm geträumt hast. Und deine Träume hatten doch häufig eine Bedeutung, nicht wahr?“
„Ja, eben das macht mich so nervös. Es kommt mir vor, als ob etwas in Gang gesetzt worden wäre. Irgendetwas wird passieren. Manchmal denke ich schon, ich werde verrückt.“ Magarete sah Paula an, die ihrerseits zutiefst bedauerte nicht verraten zu können, was sie in Lucklum erfahren hatte. Aus Rücksicht auf Magarete und ihre Gefühle, musste sie das Geheimnis von Friedrich Mendelssohn für sich behalten. Sie musste erst wissen, wer dieser Mann war.
„Mach dir nicht so viele Sorgen, Magarete. Du wirst nicht verrückt.“
Magarete wirkte nicht restlos überzeugt und auf ihrer Stirn standen nachdenkliche Falten. „Jetzt lasse ich dich aber alleine, damit du Steffen anrufen kannst. Ich wette, dass er die ganze Zeit am Telefon sitzt und auf deinen Rückruf wartet.“ Schelmisch grinsend lief Magarete zur Wohnungstür.
Paula drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich rufe ihn gleich an. Versprochen.“
„Gut. Dann einen schönen Sonntag. Besuch mich wieder, wenn du Zeit hast,
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