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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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suchen zudem eine Küchenhilfe und da habe ich sofort an dich gedacht. Was meinst du?“
    Ich war erstmal sprachlos. „Bezahlen die denn auch?“, stotterte ich.
    „ Ja, nicht viel, aber freie Verpflegung und die Reste vom Essen können wir mit nach Hause nehmen.“
    „ Ich muss mit meinen Eltern sprechen. Warte, ich bin gleich wieder da“, rief ich ihr zu und rannte in den Stall zu meinem Vater. Natürlich wollte ich. Die Arbeit auf dem Hof war in Ordnung, aber in der Küche zu arbeiten, machte mir richtig Spaß.
    Ich erklärte knapp meinem Vater mein Anliegen. Er stützte sich auf der Mistgabel ab und überlegte.
    „ Eigentlich hatte ich mir geschworen, dich nie wieder auf das Rittergut gehen zu lassen“, ließ er den Satz unvollendet in der Luft hängen, „aber da weht jetzt ein neuer Wind und Hein Kummerlich gibt es nicht mehr.“ Ich spürte, er war noch nicht ganz fertig.
    „ Aber wenn sich einer von den Amerikanern schlecht benimmt oder dir zu nahe kommt, hörst du augenblicklich auf dort zu arbeiten“, ermahnte er mich.
    Ich nickte. „Natürlich Papa. Das verspreche ich.“ Ich gab ihm einen Kuss und spurtete zu Heidemarie. „Ich darf.“
    Heidemarie fiel mir um den Hals. „Das ist toll. Dann los. Aber wunder dich nicht, die Amerikaner sind, na wie soll ich sagen, anders.“
    Ich legte meine Schürze ab und hakte mich bei Heidemarie unter. Gut gelaunt gingen wir zur Arbeit, denn wir wussten, ein neuer Lebensabschnitt lag vor uns. Außerdem war die Arbeit bei den Alliierten beliebt und nicht jeder bekam eine Anstellung.
    Das letzte Mal, als ich die Küche betreten hatte, lag Jahre zurück und erschien mir wie eine halbe Ewigkeit. Ich hatte keine Furcht mehr, denn die Vergangenheit mit Hein Kummerlich hatte ich abgehakt und ich sah der Zukunft hoffnungsvoll entgegen.
    Und Heidemarie hatte recht: die Amerikaner waren anders als die Menschen, die ich bislang kannte. Sie waren aufgeschlossen, unterhielten sich laut und hingen rauchend und Musik hörend im Innenhof des Rittergutes herum. Wenn wir an ihnen vorbei mussten, lachten sie uns zu und machten kleine Späße, aber keiner von ihnen kam uns zu nahe oder wurde aufdringlich. Ich war fast zwanzig Jahre alt, hatte die Liebe meines Lebens verloren, aber in mir pochte junges Blut, das nach Leben gierte. Ich behütete meine Liebe zu Friedrich tief in meinem Herzen. Ich war mir sicher, es würde nie wieder einen Menschen geben, der mein Innerstes so zum Klingen bringen würde wie er.
    Wenn ein Sprichwort auf meine Situation zutraf, dann jenes: das Leben geht weiter.
    Am Anfang ging es schleppend weiter. Jeder Tag verging zäh wie in Zeitlupe, eine Woche so langsam wie ein Jahr, ein Monat schleppte sich wie ein Jahrzehnt. Aber irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem das Leben schneller pulsierte und den beständigen Schmerz ein wenig zur Seite drängte, ihn nie vergaß, aber nicht mehr wach, sondern schlummerig hielt. Ab und zu brach der Schmerz wieder auf, aber die Abstände wurden größer und der Schmerz kam nicht mit der ungeheuren Wucht, die mich niederschlug. Dass die Zeit alle Wunden heilt, stimmt nicht. Die Zeit machte es leichter, die Wunden zu ertragen. Verschwinden tun sie niemals ganz.
    Als ich durch meine Arbeit am Rittergut die Amerikaner kennenlernte, machten sie mich neugierig auf die Welt. Es gab noch so viel mehr außerhalb meiner kleinen Welt zu entdecken. In mir wurde eine Sehnsucht geweckt, aus meinem Leben auszubrechen und neue Wege zu beschreiten. Ich begann einen Plan zu entwickeln, der noch eine Weile reifen sollte, ehe ich ihn in die Tat umsetzte.
    Für Heidemarie erwies sich die Anwesenheit der Amerikaner als Glücksfall. Sie lernte John kennen. Er kam aus Texas, war ein kräftig gebauter, stets gut gelaunter Mann vom Land. Seine Eltern besaßen eine große Farm, auf die er alsbald wie möglich zurückkehren wollte. John knüpfte zarte Bande zu Heidemarie und am Anfang unterhielten sich die beiden mit Händen und Füßen. Heidemarie war nicht auf den Kopf gefallen und lernte rasch die ersten englischen Wörter. Sie beherrschte zunächst alle wichtigen Wörter über Rinderzucht und Farmarbeit und sie verstand Johns Liebe zu seinem Land, das aus seinen Berichten unendlich weit und wild daher kam. Nach und nach sprachen sie über andere Dinge und entdeckten ihre Gefühle füreinander. Es kam wie es kommen musste: John und Heidemarie wurden unzertrennlich. Sie verbrachten jede freie Minute zusammen.
    Wenn wir zusammen in der Küche

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