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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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toll, wie du dein Leben in die Hand genommen hast. Anfang der fünfziger Jahre alleine in Berlin zu sein, war doch sicherlich ein großes Abenteuer. Ich weiß noch welchen Aufstand meine Eltern machten, als ich mit einer Freundin während der Schulferien ins Zeltlager an die Ostsee wollte. Sie wollten mich nicht gehen lassen, bis ich solange bettelte und dann durfte.“ Paula schmunzelte. Ihre Eltern hatten damals einen Vertrag mit ihr aufgesetzt, der zahlreiche Klauseln enthalten hatte, was sie durfte und was nicht. In irgendeiner Schublade musste er noch bei ihren Sachen liegen.
    „Es kommt die Phase in einem Leben, in der jeder seinen Weg gehen muss. Den einen verschlägt es an die Ostsee, den anderen nach Berlin“, entgegnete Magarete.
    „Das sind doch gewaltige Unterschiede“, wandte Paula ein.
    „Wichtig im Leben ist, dass man weiß, was man will. Die eigenen Ziele sollte man verfolgen und sich den Herausforderungen stellen.“ Magarete stand auf. „So meine Liebe, jetzt werfe ich dich hinaus. In zehn Minuten kommt meine Lieblingsserie im Fernsehen. Und wie ich dir schon mehrfach gesagt habe, sollst du nicht so viel deiner Zeit mit einer alten Schachtel wie mir verbringen.“
    „Ich mag aber die alte Schachtel“, sagte Paula und drückte Magarete einen Kuss auf die Wange. „Wir sehen uns diese Woche bestimmt noch mal.“
    „Ganz bestimmt. Und jetzt raus.“ Magarete bugsierte Paula sanft in Richtung Ausgang.
    „Die Fernsehserie muss es ja in sich haben, dass du mich so schnell rauswirfst.“
    „Ja. Mach dir einen schönen Abend.“ Magarete kicherte belustigt und schloss schnell hinter ihr die Tür.
    Paula stand im Treppenhaus und sah sich unschlüssig um. Der Rauswurf hatte sie überrascht und sie vor die Entscheidung gestellt, entweder nach oben zu gehen oder bei Lindners zu klingeln. Sie entschied sich bei dem Hausmeister-Ehepaar zu läuten. Je eher sie die Sache mit dem Auto hinter sich brachte, desto besser.
    Nachdem die Melodie der Klingel verstummte, vernahm Paula Schritte hinter der Tür, dann Stille. Sie vermutete, dass sie gerade durch den Spion beäugt wurde.
    Wenige Augenblicke später ging die Tür auf und Frau Lindner beäugte Paula überrascht. „Frau Rittner, das ist aber eine Überraschung.“
    Paula war nicht erstaunt über Frau Lindners perfekt gestyltes Aussehen, so als ob sie auf Besuch gewartet hätte. Diese Frau lief wahrscheinlich zu jeder Tageszeit so herum, vermutete sie und veranlasste sie innerlich zu seufzen. Zu Hause trug sie bequeme Sachen, auf die sich schon mal ein Fleck vom Essen verirrt hatte und ihre Haare sahen erst eine Bürste, wenn sie tatsächlich die Wohnung verließ. Am Wochenende kam es vor, dass sie sogar das vergaß.
    In ihren Gedanken versunken, bemerkte Paula zu spät, wie Frau Lindner sie befremdlich taxierte.
    „Äh, ja, Frau Lindner. Ich wollte Ihren Mann sprechen. Magarete sagte, er wäre da.“
    Erstaunt hob Frau Lindner eine ihrer geschwungenen Augenbrauen in die Höhe. Zögerlich antwortete sie. „Ja, er ist da.“ Sie machte keine Anstalten Paula hinein zu bitten. „Worum geht es denn?“, erkundigte sie sich stattdessen.
    Paula setzte zu einer Erklärung an, die durch eine angenehm tiefe Männerstimme unterbunden wurde.
    „Was ist denn los, Berta?“ Die Wohnungstür wurde weiter geöffnet und hinter Frau Lindner trat ihr Mann.
    Paula hätte alles erwartet, nur das nicht: Vor ihr stand ein sportlich, gut gekleideter Mann in den Sechzigern. Die Haare trug er voll und in einer erstaunlich modischen Frisur. Herr Lindner entblößte seine Zähne und brachte ein umwerfendes Lachen zustande, das jede Frau ab vierzig tief im Herzen erwärmt hätte.
    „Hallo“, sagte er zu ihr und streckte ihr die Hand entgegen. Paula ergriff die Hand und schüttelte sie, ohne den Blick von dem Mann zu lassen. Sie merkte wie ihr der Mund offen stand und schloss ihn rasch.
    „Hallo Herr Lindner, ich bin Paula Rittner, wir haben uns noch nicht kennengelernt. Ich bin die neue Nachbarin.“
    „Ich bin Günther“, stellte er sich unkompliziert vor. „Ich habe schon viel von dir gehört, es freut mich dich endlich persönlich kennenzulernen. Komm doch rein.“
    Er ließ die Hand von Paula nicht los und zog sie sanft in die Wohnung. Frau Lindner machte einen Schritt zur Seite, sonst wäre Paula in sie hineingelaufen. Paula las auf ihrer Miene deutliche Anzeichen von Missfallen, während Günther sie so rasant weiterzog, dass der missmutige Gesichtsausdruck schnell

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