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Linkes Ufer: Erzählungen aus Kolyma 2 (German Edition)

Linkes Ufer: Erzählungen aus Kolyma 2 (German Edition)

Titel: Linkes Ufer: Erzählungen aus Kolyma 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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steht von der Hand des Untersuchungsführers – und jedes Blatt von Woronkow abgezeichnet! –, daß Filippow Woronkow eine Dreizimmerwohnung und Auslandsreisen zur Weiterbildung angeboten hat. Die Kochkunst ist ja im Niedergang ... ›Der Direktor des Restaurants Praga, Filippow, bot mir all das für den Fall meines Wechsels dorthin, und als ich ablehnte –, schlug er mir vor, die Regierung zu vergiften. Und ich erklärte mich bereit.‹ Ihr Verfahren, Walerij Andrejewitsch, gehört auch in das Ressort ›Technik an der Grenze des Phantastischen‹.«
    »Was versuchen Sie mich zu beruhigen? Was wissen Sie? Ich bin mit Putna beinahe seit der Revolution zusammen. Seit dem Bürgerkrieg. Ich bin bei ihm wie zu Hause. Ich habe ihn nach Primorje und in den Süden begleitet. Nur nach England haben sie mich nicht gelassen. Haben mir kein Visum gegeben.«
    »Und Putna ist in England?«
    »Ich sagte Ihnen schon – er war in England. Er war in England. Aber jetzt ist er nicht in England, sondern hier, bei uns.«
    »Aha.«
    »Vorgestern«, flüsterte Miroljubow, »gab es zwei Verhöre. Beim ersten Verhör forderte man mich auf, alles aufzuschreiben, was ich über Putnas terroristische Arbeit weiß und über seine Ansichten in diesen Dingen. Wer ihn besucht hat. Was für Gespräche geführt wurden. Ich habe alles aufgeschrieben. Ausführlich. Keinerlei terroristische Gespräche habe ich gehört, niemand von den Gästen ... Dann gab es eine Pause. Mittagessen. Ich bekam auch ein Mittagessen. Mit zwei Gängen. Erbsen als zweiter. Bei uns in der Butyrka gibt es immer Linseneintopf, und dort Erbsen. Und nach dem Essen – sie haben mir Machorka gegeben, eigentlich rauche ich nicht, aber im Gefängnis habe ich es mir ein wenig angewöhnt – setzten wir uns wieder ans Aufschreiben. Der Ermittler sagt: ›Sie, Doktor Miroljubow, nehmen Ihren langjährigen Dienstherrn und Freund Putna so ergeben in Schutz und verteidigen ihn. Das macht Ihnen Ehre, Doktor Miroljubow. Putnas Verhältnis zu Ihnen ist nicht so wie Ihrs zu ihm ...‹ – ›Was heißt das?‹ – ›Hier. Das schreibt Putna selbst. Lesen Sie.‹ Der Ermittler gab mir seitenlange Aussagen in Putnas Schrift.«
    »Aha ...«
    »Ja. Ich spürte, wie ich grau wurde. In dieser Erklärung schreibt Putna: ›Ja, in meiner Wohnung wurde ein terroristisches Attentat vorbereitet, wurde eine Verschwörung gegen Mitglieder der Regierung, gegen Stalin und Molotow , angezettelt. An all diesen Gesprächen beteiligte sich sehr aktiv und sehr lebhaft Kliment Jefremowitsch Woroschilow .‹ Und der letzte Satz, der sich meinem Hirn eingebrannt hat: ›All das kann mein Hausarzt Doktor Miroljubow bestätigen.‹«
    Krist stieß einen Pfiff aus. Der Tod war allzu nah an Miroljubow herangerückt.
    »Was tun? Was tun? Was sagen? Putnas Handschrift war nicht gefälscht. Ich kenne seine Schrift zu gut. Und seine Hände zitterten nicht, wie bei Zarewitsch Aleksej nach der Knute – erinnern Sie sich an diese historischen Fahndungsakten, dieses Verhörprotokoll aus der Petrinischen Zeit?«
    »Ich beneide Sie ehrlich«, sagte Krist, »daß Ihre Liebe zur Literatur alles überwindet. Übrigens ist das eine Liebe zur Geschichte. Aber wenn Ihre seelischen Kräfte schon groß genug sind für Analogien, für Vergleiche, dann werden sie auch groß genug sein, sich in Ihrem Verfahren vernünftig zu orientieren. Eins ist klar: Putna ist verhaftet.«
    »Ja, er ist hier.«
    »Oder in der Lubjanka. Oder in Lefortowo. Aber nicht in England. Sagen Sie mir, Walerij Andrejewitsch, Hand aufs Herz – gab es irgendwelche mißbilligenden Urteile«, Krist zwirbelte seinen imaginären Schnurrbart , »und sei es in aller allgemeinster Form?«
    »Niemals.«
    »Oder: ›In meinem Beisein niemals‹. Diese Feinheiten der Untersuchung müssen Sie kennen.«
    »Nein, niemals. Putna ist ein durchaus rechtgläubiger Genosse. Ein Militär. Etwas grob.«
    »Jetzt eine weitere Frage. Die – psychologisch – wichtigste. Aber Hand aufs Herz.«
    »Ich antworte überall gleich.«
    »Na, seien Sie nicht böse, Marquis von Posa.«
    »Ich glaube, Sie machen sich lustig über mich ...«
    »Nein, ich mache mich nicht lustig. Sagen Sie mir offen, wie war Putnas Verhältnis zu Woroschilow?«
    »Putna haßte ihn«, seufzte Miroljubow heiß.
    »Da haben wir die Lösung, Walerij Andrejewitsch. Hier ist keine Hypnose im Spiel, nicht die Arbeit des Herrn Ornaldo , keine Spritzen und Medikamente. Nicht einmal Drohungen, keine Fließband-Verhöre.

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