Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Musik aufzunehmen.«
»Nein!«
»Auch unsere Kostüme werden solche Elemente aufweisen.«
»Nein!!!«
»Außer das des Faust natürlich.«
»Und Gretchen trägt jetzt einen Wildlederbikini mit weißen Rüschen, nehme ich an?«
»Nein, Oliver, das Gretchen ist gestrichen. Es gab ein paar Meinungsverschiedenheiten mit devotionella26 diesbezüglich.«
Es klopft. Vor der Tür steht ein Pulk von etwa zwanzig Leuten, alle mit jeweils zwei dampfenden Kaffeebechern für uns in den Händen. Von der anderen Straßenseite nähern sich xman41 und seine Freunde und gucken irritiert.
***
Ach nein, ich möchte nichts über diese Probe sagen.
Wirklich.
Ich möchte nichts über die Kostüme sagen, die kurz, nachdem endlich alle da waren, geliefert wurden. Es gibt keine Worte, die ihnen gerecht werden. Näherungsweise tun es vielleicht die Sätze, die das Pinklbräu-Marketing dem Kostümdesigner mit auf den Weg gegeben hat: »Gewünscht ist eine gesunde Mischung aus dem, was wo modern ist mit Computer und Internet, und dem, was wo oberbayerische Tradition ist.«
Und ich möchte auch nichts über die Art sagen, wie xman41 und seine Kollegen die Texte gesprochen haben. Es reicht, wenn man sich Viertklässler vorstellt, die in einer Landgrundschule auf der Weihnachtsfeier Gedichte vortragen. Ich bin einfach nur froh, dass Lena kein Wort hören musste. Und ich bin jetzt auch wild entschlossen, zu verhindern, dass sie das Ganze jemals zu hören bekommt.
Und am allerwenigsten möchte ich etwas über die Menschenflut sagen, die Rüdigers Kaffeewunsch-Posting ausgelöst hat. Nur kurz die Fakten: Gegen Ende der Probe hatte jeder von uns gerade noch einen Quadratmeter zum Stehen, und ich konnte den Raum erst eine halbe Stunde nach Probenende verlassen, weil ich vorher nicht zum Ausgang durchgekommen bin.
Der Nachmittag hat nichts gebracht außer der Erkenntnis, dass nach der Aufführung am Montag das Buch der Apokalypse neu geschrieben werden muss. Positiv waren nur zwei Dinge: Erstens gab es keine Verletzten, zweitens hat Rüdiger als Faust seine einzigen beiden Sätze »Seid uns gegrüßt, ihr Herrn!« und »Ich hätte Lust, nun abzufahren« halbwegs passabel zum Besten gegeben.
Nachdem das nun erledigt ist, blicke ich nur noch nach vorne. Richtung heute Abend. Der lang ersehnte Moment, in dem meine alte WG nach über einem halben Jahr endlich mal wieder den Partyschalter umlegt.
***
»Du bist früh dran, Krach.«
»Weiß ich. Ich will jede Minute auskosten, Gonzo.«
Mein früherer Mitbewohner und ich umarmen uns lange im WG -Flur. Wir haben viel zusammen erlebt. Wir haben gemeinsam in unserer infernalischen WG -Band gespielt, unzählige wunderbare Fußballspiele angesehen, hektoliterweise Bier getrunken, Verstecke gesucht, um unser Essen vor Tobi in Sicherheit zu bringen, einen uneinsichtigen Ex-Stasi-Agenten zur Räson gebracht, Strategien entwickelt, wie wir Elvin und Adrian aus unserem Heim heraushalten können, einen wahnsinnigen Vermieter vertrieben und vieles mehr. Außerdem waren wir beide gleichzeitig in Amelie verliebt. Tiefere Männerfreundschaft geht nicht, auch wenn wir uns noch so selten sehen.
»Darf ich vorstellen? Meine wunderbare neue Mitbewohnerin Franziska.«
»Hallo Franziska. Hab schon gehört, du warst der Supermarkt-Pac-Man. Respekt. Beide ein Bier?«
»Unbedingt.«
Gonzo macht sich mit routinierten Handgriffen an der guten alten Zapfanlage, dem weitaus gepflegtesten Gegenstand der WG -Küche, zu schaffen.
»Bei der Bierfrage muss man hier immer mit unbedingt antworten, Franziska. Das ist Tradition seit … Egal, soll ich dir kurz die Wohnung zeigen, bis Gonzo fertig ist?«
»Klar. He, ich glaube, ich habe dich noch nie so strahlen sehen.«
Ich führe sie durch die Räume. Nein, ich weine nicht dabei. Ich habe höchstens bei manchen Erläuterungen ein leichtes Beben in der Stimme. Kann man doch mal haben. Nachdem Franziska alles Sehenswerte dieser Wohnung, vom Ausklapp-Balkon bis zum Inzaghi-Hass-Altar * , kennengelernt hat, kehren wir wieder zurück. Gonzo hat unsere frisch gezapften Biere tapfer gegen stetig nachrückende Neuankömmlinge verteidigt. Wir stoßen an, trinken und lächeln.
»Und sonst so, Gonzo?«
»Läuft.«
Ich frage lieber nicht weiter. Während wir zusammen gewohnt haben, hat sich Gonzo dauernd von einem Grafiker-Praktikum zum nächsten gehangelt. Und irgendwie habe ich den Verdacht,
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