Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Autoren: Matthias Sachau
Vom Netzwerk:
dass er das auch heute noch tut.  
    »Übrigens, schone deine Stimme, Krach, wir machen später wieder Musik. In der alten Besetzung.«  
    »Na gut.«  
    Zugegeben, in Wirklichkeit hüpft mein Herz vor Vorfreude. Solange ich hier gewohnt habe, war die wöchentliche WG -Bandprobe ein lästiger Pflichttermin für mich. Erst seit wir nicht mehr proben, ist es für mich das, was ich außer meinem alten Zimmer am allermeisten vermisse. Ich kann es nur nicht zugeben, weil ich früher immer so hochnäsig auf den anderen herumgehackt habe. Vor allem auf Francesco am Bass, der, wenn überhaupt etwas, allenfalls die unwichtigen Töne hin und wieder richtig gespielt hat.  
    »Die Instrumente sind schon in Tobis altem Zimmer aufgebaut, hast du gesehen?«  
    »Hab ich. Und? Habt ihr es diesmal geschafft, dass Elvin und Adrian nichts mitkriegen?«  
    Wir sehen uns an und brechen in Gelächter aus. Eine WG -Party, von der Elvin und Adrian nichts mitkriegen, ist genauso unmöglich, wie dass der alte Boiler in der Küche nicht mindestens einmal pro Monat kaputt geht. Sobald es hier auch nur ansatzweise gesellig wird, stehen die beiden Pestbeulen von nebenan sofort in der Tür. Das ist Naturgesetz.  
    Wir trinken, und ich gebe mich der Illusion hin, dass es wieder wie früher ist.  
    »Hi, Vorvorbewohner.«  
    »Hi.«  
    Mist. Daniel, der junge Hüpfer, der jetzt mein Zimmer bewohnt. Wahrscheinlich ein netter Kerl, aber ich schaffe es immer noch nicht, ihn zu mögen, weil … Ach, ich hätte hier einfach niemals … Na ja, lassen wir das. Und außerdem, ich habe ja jetzt wieder eine WG . Mit einer schönen intelligenten Frau. Die kochen kann. Und überhaupt.  
    »Das ist Franziska, meine Mitbewohnerin.«  
    »Hi, fein, dass du da bist.«  
    Ja, okay, es ist nicht dasselbe. Nicht ganz. Dafür … Nein, wirklich, lassen wir das. Sinnlos.  
    Der Gästezustrom wird immer stärker, und alle paar Minuten wird die Musik lauter gedreht. Als es in der Küche zu voll wird, siedle ich mit meinen WG -Veteranen Tobi, Gonzo, Reto, Francesco und Hendrik nach nebenan in Francescos altes Zimmer um. Nachdem wir uns auf dem Boden niedergelassen haben, sehen wir zwar aus wie ein Sitzkreis auf einem Wochenendseminar der evangelischen Landjugend 1983, aber das ist uns egal. Wir erzählen, trinken und rauchen Retos Bio-Gras.  
    Manchmal werden wir vom Jungvolk belächelt. Diese Leute interessiert es ja nicht, dass es die WG nur noch gibt, weil wir sechs uns damals dem wahnsinnigen, zu allem entschlossenen Vermieter Herrn Wohlgemuth widersetzt haben. Und sie wissen nicht, warum klar erkennbar ein großes Rechteck aus dieser Zimmertür hier herausgesägt und später wieder eingesetzt wurde. Und sie ahnen nicht einmal ansatzweise, welch entscheidende Rolle die Toilette am Ende des Flurs, in die sie jetzt alle gedankenlos hineinscheißen, in unserem Kampf gespielt hat. Aber lassen wir auch das. Wir können froh sein, dass wenigstens Gonzo immer noch hier wohnt und für Ordnung sorgt.  
    »Daniel hat neulich vorgeschlagen, dass wir den Inzaghi-Hass-Altar umgestalten.«  
    »Er hat WAS ?«  
    »Na ja, Krach, Inzaghi spielt schließlich gar nicht mehr. Muss man auch mal so sehen.«  
    »Das ist ja wohl die Höhe! Und was will er aus dem Inzaghi-Hass-Altar machen?«  
    »Einen Podolski-Grins-Altar.«  
    »Nur über meine Leiche! Es muss ein italienischer Fußballer sein. Und auf jeden Fall ein Hass-Altar!«  
    Ich weiß, es ist lächerlich, aber ich kann es einfach nicht ausstehen, wenn Neuankömmlinge hier alles umwursteln. Ist doch wahr! Womöglich soll demnächst auch noch die Küche neu gestrichen werden. Zum Glück werden wir Alten mit jedem getrunkenen Bier ausgeglichener. Ist doch auch schön, wenn die Dinge ein wenig im Fluss sind und hier nach und nach ein Generationswechsel stattfindet … Nur den Inzaghi-Hass-Altar sollen sie gefälligst in Ruhe lassen!  

    »
Hey, hey! Alles frisch bei euch?
«  

    »
Sehr stylish, euer Senioren-Sit-in. So ein Setting könnten wir vielleicht für den Pitch beim Alternative-Travel-Anbieter verbraten, was meinst du, Adrian?
«  

    »
Noch zwei, drei blonde Hippie-Schnitten dazu, jou, könnte werden.
«  

    »
Haltet euch alle mal nächste Woche bereit, wir buchen euch dann, hähä.
«  

    »
Könnte für den einen oder anderen von euch der Beginn einer steilen Modelkarriere werden, höhö.
«  

    »
Ach, Krach, schau mal, wen wir mitgebracht haben.
«  
    »Oh, hallo Rüdiger.«
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher