Linksaufsteher: Ein Montagsroman
eins von den Dingen, die man nicht einfach reparieren oder warten kann wie eine Maschine, stelle ich mir vor. Was meinst du? Ich glaube, du hast da einfach ein bisschen mehr Erfahrung.«
Ich sehe ihn an. Er weiß nicht, dass ich Lena liebe. Ich war zu stolz, es ihm zu erzählen. Er könnte es aber wissen … Weiß er es, oder weiß er es nicht? Ahnt er es? Warum wendet er sich mit dieser Frage ausgerechnet an mich? Will er mir damit etwas sagen? Und was? Das Valentin wird allmählich voller und lauter. Ich lehne mich zurück und mein Stuhl knarrt etwas dabei. Kurt hat gerade selbst die perfekte Argumentation geliefert, warum das mit ihm und Lena nichts ist. Allerdings frage ich mich, warum er so rumjammert. Es ist doch nur ein befristeter Job für ihn, oder habe ich da was falsch verstanden? Haben die ihn jetzt am Ende etwa fest angestellt? Hat Lena vielleicht sogar selbst die entscheidenden Hebel dafür umgelegt? Liebt sie womöglich tatsächlich … ihn ? Das ist ein Irrtum! Die Geschichte, die Matrix, die großen interglobulistischen Zusammenhänge – das kann alles nicht so gewollt sein!
»Ich bin sicher, du hast recht, Kurt. Das kann nicht gutgehen. Sicher nicht.«
Kurt seufzt.
»Und es gibt keine Lösung?«
»Nein, Kurt, ich fürchte nein.«
Die eine Hälfte in mir sagt, dass ich ein Arsch bin. Die andere Hälfte sagt, dass ich nicht anders konnte.
***
»
Schön, dass du uns besuchst, Olivia. Die Faust-Auerbach-und-so-weiter-Probenarbeit läuft gut, hörten wir?
«
»
Dein Kollege Rüdiger Rodeopopodeo hält uns ja laufend auf dem Laufenden. Und er enttäuscht uns nicht, kränkere Ideen kann man nicht haben, haha.
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»Genau darüber wollte ich mit euch sprechen. Hat er euch erzählt, dass er vorhat, ein Gretchen in der Szene auftreten zu lassen, obwohl es in Auerbachs Keller überhaupt nichts verloren hat? Und auftreten ist sogar verkehrt. Er will es mehr so aufkriechen lassen.«
»
Yep, wissen wir. Alle Achtung. Hätte ja wohl niemand gedacht, dass das Kerlchen so ein böööser Junge sein kann.
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»Ich bin dringend dafür, dass wir das lassen. Das passt doch niemals zu den Markenwerten unseres Kunden. Ihr sagt doch selbst immer, Pinklbräu ist zuallererst eine Traditionsmarke, die von dieser Basis aus einen Zugang zur Zielgruppe der Fitnessproleten finden will . Und Traditionsmarke plus nackte Frau auf der Bühne, das geht doch gar nicht.«
»
Absoextremefuckinglutely, Oliver. So siehts aus.
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»
Wir haben das auch schon längst mit Rüdiger geklärt.
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»
Zu viele Katholiken in der Kernzielgruppe.
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Geht nicht. Müsst ihr in eurer Freizeit machen, hähä.
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»Okay, dann ist ja alles gut.«
»
Genau, unser Gretchen muss sich was anziehen. Wir haben schon was ausgesucht.
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»
Yay. Kannst du dich an das, ähm, Kostüm erinnern, das Prinzessin Leia als Sklavin von Jabba the Hut in Die Rückkehr der Jedi-Ritter getragen hat?
«
»
Das wird es nämlich. Devot, penisaufrichtend sexy plus hoher Kultfaktor.
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»Wie bitte?«
»
Rüdiger hat erst einen Flunsch gezogen, aber wir konnten ihn ein weiteres Mal mit bisschen Geld geschmeidig machen. Weißt ja, sensible Künstlerseele und so.
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»
Aber die paar Euros sind absolut nichts gegen die Reichweite, die wir durch ihn kriegen.
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»
Und das Pinklbräu-Marketing findet das Sexy-Sklavin-Gretchen absolut perfekt.
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Kein Wunder, ist ja auch eine ideale Mischung aus gerade noch katholikenkompatibel und dem Wunschfrauenbild unserer Kernzielgruppe konservative Männer 40 plus.
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Und die jungen Fitnessproleten werden sie auch mögen, kannste wetten.
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»
Aber gut mitgedacht, Oliver. Ich sag ja, aus dir wird noch mal ein ganz Großer.
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Mist.
Mist, Mist, Mist, Mist, Mist.
***
Die Leute, die die ZDF -Liebesfilme schreiben, verstehen anscheinend doch viel mehr vom wahren Leben, als ich heute Vormittag noch dachte. Ich glaube nicht mehr, dass Lena dabei ist, sich in mich zu verlieben und ihre Sitzkugelhaltung genau dazu passt. Zweitens regnet es im ZDF immer, wenn ein Mann endlich erkannt hat, dass es herzenstechnisch eher schlecht für ihn aussieht. Er läuft dann langsam mit ernstem Gesicht durch die Wasserfäden und merkt gar nicht, dass er nass wird, weil er so traurig ist. Genau wie ich gerade.
Ist doch wahr. Ich mache mir die ganze Zeit etwas vor. Wie soll Lena sich in mich verlieben, wenn ihr Exmann gerade
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