Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Trockenfleischregal.
Die Milch- und Tiefkühlprodukte meistere ich zum Glück mühelos und stehe nur wenige Minuten später in der Kassenschlange. Beim Warten mustere ich einmal mehr verzückt die Überraschungseier, die fein aufgereiht in ihrem Ständer strammstehen. Die sind prima. Da musste ich nur einmal eins kaufen, und mein Soll war erfüllt. Warum können andere Produkte nicht auch so sein? Warum muss es alles mit Kirsch-, Erdbeer-, Himbeer-, Kaffee-, Zimt-, Avocado-, Cola-, Bier- und Onkel-Pauls-getragene-Socken-Geschmack geben? Vielleicht ist mein Supermarktkonzept einfach ein stummer Protest dagegen, ohne dass es mir bisher bewusst war?
Ich schaue weiter die Überraschungseier an. Eine Wohltat. Der Anblick der ganzen Kaugummisorten auf der anderen Seite würde mich richtig nervös machen … Ach du Schreck. Moment mal. In jedem Überraschungsei ist ja etwas anderes drin. Das heißt … oh nein … das heißt, ich lag falsch. Jedes Ei ist anders. Ich muss ab jetzt bei jedem Einkauf ein Überraschungsei mitnehmen. Mist.
Ich seufze und werfe eines auf das Band. Und mit einem Mal finde ich den Anblick der vielen Kaugummisorten nun doch viel entspannender als die finster-geheimnistuerisch dreinblickenden Überraschungseier.
»Sie, junger Mann, die Verpackung bei Ihren Kaminwurzerl ist ja schon aufgerissen.«
»Oh, Entschuldigung. Ich … ich hatte solchen Hunger.«
Die Kassiererin zieht die Augenbrauen hoch. Macht nichts. Im Großen und Ganzen betrachtet, war das heute ein sehr guter und interessanter Einkauf.
***
Ich habe das Tonstudio zwar schon lange verlassen, aber der fürchterliche Satz »Brambelfix, und keine Tricks!« spukt mir immer noch im Kopf herum. Und er wird mir noch viele Tage im Kopf herumspuken. Zum Glück konnte ich abwenden, dass ich in dem blöden Hundefutter-Spot bellen musste. Der Marketingleiter war im Studio und hat vorgemacht, wie er sich das in etwa denkt. Ich habe ihm sofort mit leuchtenden Augen versichert, dass das die beste menschliche Hundestimme war, die ich je gehört habe, und er hat angebissen. Jetzt haben wir alle etwas davon. Ich musste nicht bellen, und seine Kinder werden demnächst ihre Tage vor dem Radio verbringen und kichernd ihrem Papa-Hund zuhören.
Ich schaue auf die Uhr. Nein, die Zeit reicht nicht, um noch schnell nach Hause zu gehen und auf Facebook nach den Supermarktkonzeptionalisten zu schauen. Das verschiebe ich lieber und radele ganz entspannt direkt zum Valentin. Bin ich einfach mal ein paar Minuten früher da als Anton. So ein bisschen Ruhe zwischendrin kann ich sehr gut gebrauchen.
Übermorgen sehe ich meine iKoffer-Prinzessin. Und wenn ich diesmal wieder so planlos herumfuhrwerke, werden meine Hoffnungen dahinschwinden wie Socken in der Waschmaschine. Hoffentlich fällt mir vorher noch etwas ein, was zündet. Aber leider bleibe ich, wenn ich über sie und mich nachdenke, immer wieder an irgendwelchen Gedanken mit Zöpfen hängen. Was soll ich damit anfangen? Ich werde ihr keine Zöpfe schenken. So ein Blödsinn. Sie würde laut aufschreien, und außerdem würde sie mir mit Zöpfen überhaupt nicht gefallen. Wenn in dem Traum der Schlüssel zu meiner Mission liegt, warum drückt er ihn mir dann nicht direkt in die Hand? Zöpfe, Zöpfe, so komme ich nicht weiter. Ich muss noch mal ganz von vorne anfangen.
Die Schaufensterscheiben der Modeläden schweben an mir vorbei. Ha. Vielleicht sollte ich einfach das Gleiche tun, was eine Frau tun würde, wenn sie bald ein Date hat? Sich was zum Anziehen kaufen. Eine neue Hose zum Beispiel. Die, die ich anhabe, ist zwar erst zwei Jahre alt, und seit ich in meiner Wohnung einen Wäschetrockner habe, komme ich mit ihr als einziger Alltagshose prima hin. Ich finde sowieso, es gibt nicht viele Hosen, die wirklich gut sitzen, und wenn ich endlich eine entdeckt habe, die mir passt, dann will ich sie auch jeden Tag tragen. Allerdings, wenn man genauer hinschaut, kann man bei meinem aktuellen Modell durchaus die ein oder andere Verschleißspur entdecken. Und wenn man eine Traumfrau hat, die selbst immer so herausgeputzt ist, dann sollte man davon ausgehen, dass sie bei Männern auch auf makellose Garderobe achtet. Warum bin ich nicht schon früher darauf gekommen? Eine neue Hose muss her. Gleich morgen. Aber eine neue Hose kann nur der Anfang sein. Ich brauche dazu schon noch ein paar andere Knallerideen. So naiv bin ich auch wieder nicht.
Nach der ersten Viertelstunde im
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