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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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halt dann zum ersten Mal direkt hintereinander das Gleiche gekauft. Das ist überhaupt nicht schlimm …  
    »Ähm, tschuldigung.«  
    »Ja, tut mir leid, ich blockiere das Regal. Nur einen kleinen Moment noch …«  
    »Nein, ich wollte nur fragen, du bist doch ab und zu im Coffee & Bytes, oder?«  
    Ich drehe mich um. Vor mir steht eine kleine hellblonde Frau Anfang 20. Ihre unglaublich großen blauen Augen schauen etwas scheu an mir hoch.  
    »Ja, da bin ich manchmal.«  
    »Dacht ich mir doch, dass ich dich neulich gesehen habe.«  
    »Kann sein, ja.«  
    »Hihi.«  
    »Tja, so was.«  
    »Zufall, ne.«  
    »Ja.«  
    Wir schauen uns an. Wären wir in einer schummerigen Kneipe und hätten wir Bierflaschen in der Hand, wäre die Pause jetzt vielleicht ganz erträglich. Wir stehen aber im Supermarkt-Neonlicht, und jeder von uns fummelt verlegen mit dem, was er gerade in der Hand hat, herum, sie mit ihrem Einkaufszettel, ich mit der Packung Tiroler Kaminwurzerl. Jede normale hübsche Frau Anfang 20 würde jetzt einfach weitergehen und dabei die Worte »was für ein Dummbatz« in einer Denkblase über dem Kopf spazieren tragen. Sie tut es aber nicht. Sie schaut weiter an mir hoch. Und dass sie an mir hochschaut, liegt nicht nur daran, dass sie klein ist. Irgendwie wirkt sie so, als wäre ich ein Star und sie ein Mädchen vom Land, das über drei Ecken einen Backstage-Pass für meinen Auftritt bekommen hat. Das bin ich nicht gewohnt. Ich umklammere die kleine Plastikpackung immer fester. Die Kaminwurzerl-Würste darin haben inzwischen schon meine Handtemperatur angenommen, während man in ihrem Einkaufszettel wiederum die Form eines schwerverletzten Origami-Vogels erkennen kann.  
    »So so.«  
    »Häm.«  
    »Tja.«  
    »Also, was ich fragen wollte, bist du auch auf Facebook, oder so?«  
    »Ja, da heiße ich OKrach . Also, weil, eigentlich heiße ich Oliver Krachowitzer, aber die meisten sagen Krach zu mir.«  
    »OKrach. Merk ich mir. Darf ich dich befreunden?«  
    »Be…? Ach so, ja ja, mach nur. Ich hab eh kaum Freunde.«  
    »Hihi.«  
    Sie zieht ihr iPhone aus der Tasche und tippt blitzschnell drauf rum.  
    »So, schon passiert. Ich bin übrigens Apfelsinchen .«  
    »Ah, gut, freut mich.«  
    »Na dann.«  
    Im gleichen Moment platzt die Verpackung unter meinem Gefummel auf, und eine Trockenwurst schießt heraus. Es gelingt mir gerade noch, sie mit der anderen Hand aufzufangen.  
    »Upps.«  
    »Hihi. Was ist das? Kaminwurzerl? Sind die lecker?«  
    »Weiß nicht. Also, das heißt, ich bin mir nicht sicher, ob ich sie schon mal probiert habe. Genau genommen mag ich solche Räucherwürste nur so mittel. Ich kaufe sie nur, weil … Ach, kompliziert.«  
    »Kompliziert?«  
    »Na ja, wenn du es wirklich wissen willst: Ich versuche im Lauf der Zeit jedes Produkt im ganzen Markt nur ein Mal zu kaufen. Ist nur so ein Tick von mir. Eigentlich sollte ich …«  
    »Moment, sag bloß, du bist auch einer von uns?«  
    »Einer von euch?«  
    »Ein Supermarktkonzeptionalist.«  
    »Nie gehört.«  
    »Wirklich? Jeder Supermarktkonzeptionalist hat eine spezielle Methode, nach der er seine Supermarkteinkäufe abwickelt.«  
    »Oh, klingt interessant.«  
    »Ich versuche zum Beispiel nur ein Mal in der Woche hierherzukommen, und immer genau das Gleiche zu kaufen. Muss das allerdings noch gehörig optimieren. Irgendwie fehlt mir am Ende der Woche dann doch immer etwas. Aber so lerne ich wenigstens meine Nachbarn kennen, hihi.«  
    »Du kaufst immer das Gleiche? Wirklich interessant. Muss ich mal drüber nachdenken.«  
    »Wir haben auch eine Facebook-Gruppe. Such einfach nach Supermarktkonzeptionalisten .«  
    »Werd ich auf jeden Fall machen.«  
    »Na dann.«  
    »Na dann.«  
    Sie verschwindet zwischen den Regalen. Ich kann mich nicht erinnern, wann mich das letzte Mal eine hübsche junge Frau angesprochen hat, geschweige denn, dass sie mich gleich befreunden wollte. Vielleicht hat sie es mir angemerkt, dass ich auch ein Supermarktkonzeptionalist bin? Aber warum zur Hölle nennen die sich alle so? Apfelsinchen, ruderfrosch. Irgendwas habe ich da noch nicht verstanden.  
    Ich sehe mich vorsichtig um und beiße heimlich ein Stück Kaminwurzerl ab … Nein, hatte ich wirklich noch nicht. Müssen doch die Pikanto-Sticks gewesen sein. Na also. Ich stecke das angebissene Stück zurück in die Tüte, werfe sie zu den anderen Sachen in meinen Wagen und bin endlich erlöst vom

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