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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Gedanken lesen, oder er kann verdammt gut so tun, als ob er es könnte.  
    »Also, um ganz ehrlich zu sein, ich habe mich einfach nur gefreut, drei Sätze am Stück ohne Englisch zu hören.«  
    »Ich versuche auf alle unnötigen Anglizismen zu verzichten, Oliver. Gerade in einer global vernetzten Kommunität kann sich Lokalismus endlich aus den Haftanstalten des primitivistisch-nationalistischen Denkschablonentums befreien und die positiven Kräfte des regionalen Traditionalismus mit denen des ubiquitären Internationalismus verbinden, wofür ich den Begriff immanent-kohärenter Kulturbolschecalvinismus geprägt habe.«  

    »
Smashing, Rüdiger. Das heißt, back to the roo… Ich meine, zurück zu den … Dingern.
«  

    »
Heyhey.
«  
    Rüdiger beachtet Elvin und Adrian gar nicht, sondern schaut nur mich an. Abgesehen davon, dass er meine Gedanken lesen kann und dass ich kein Wort von dem, was er redet, verstehe, finde ich ihn bis jetzt ganz angenehm.  

    »
Rüdiger, gib doch Oliver mal eine Outline von deinem … deinem …
«  

    »
 … Vorhaben.
«  

    »
Yay.
«  
    »Gut, Oliver. Es geht wie gesagt um Theater. Flip iPad.«  
    Das »Flip iPad« war nicht an mich gerichtet, sondern an seinen iKoffer. Etwas im Deckel leuchtet grün auf, ein Schlitz erscheint und ein iPad schießt daraus hervor wie eine frisch geröstete Scheibe Toast. Rüdiger Rodeo fängt es mit einer sicheren Handbewegung aus der Luft und legt es auf den Tisch. Der Bildschirm zeigt die Titelseite einer Präsentation: »Hamlet 2.0«. Rüdiger Rodeo lässt uns kurz Zeit, um die Überschrift sacken zu lassen, dann fährt er fort.  
    »Es geht um die retroaktive Reaktivierung obskur-teiladaptierten Schauspieltalents. Was viele Menschen sich nicht vorstellen wollen, ist, dass soziale Interaktion im Netz im hohen Maße infiltratorisch konditionierte Indikationen und global prokurierte Ratifikationskataster erzeugt. Die Spieler auf der virtuellen Bühne bestechen durch präpotente Präsenz, frugale Eloquenz, agronomische Impertinenz und vieles mehr. Parallel dazu werden die Schauspieler, die auf den großen Bühnen unseres Landes stehen, laufend von primadonnistischen Prekärdekadenzen und exopenal-fachimmanenten Metamechanismen korrumpiert. Mein Ansatz ist, neues Talent auf dem Partialmarkt der Web 1.5- bis 2.0-Netzwerke zu rekrutieren, affirmativ-affektiv zu performieren und kapitalatavistisch zu reüssieren.«  
    Hm.  
    »Dieses konkludizistische Deraptieren ursprünglicher Qualitäten nenne ich sozioform-paradigmatische Antiresubstitution unter umgekehrten Vorzeichen.«  
    »Heißt das …?«  
    »Gute Frage. Ganz konkret: Wir werden den Hamlet aufführen, den Inbegriff eines Bühnenstücks schlechthin. Arglistige aurale Intoxikation trifft auf melancho-epistemologische Systemgrenzwertaggregation, aggrointensive Reflexaxiome verbinden sich mit kollektivemotionaler Hermokatalytik, euklidische Signifikanzprämissen erodieren profunde mesosoziologische Dilemmata, kurz – im Hamlet steckt alles, was universalakademistisch basisrelevant ist.«  
    Im Kern heißt das doch, er will eine Hamlet-Inszenierung machen, oder habe ich ihn da falsch verstanden? Und wenn ja, ist die nächste Frage, werde ich jetzt langsam wunderlich? Ich träume krauses Zeug von meiner alten Schulbühne und am nächsten Tag kommt prompt einer und erzählt krauses Zeug von einer Theateridee? Mit wird gerade ein bisschen schlecht, als hätte ich zu lange ein Karussell angestarrt.  
    »Ganz im Sinne des materialistischen Positivismus werden alle Schauspieler mit den gleichen Honoraren vergütet, die sie in dieser Zeit in der Werbung verdienen könnten.«  

    »
Yay, und finanziert wird das Ganze von starken Werbepartnern. Hauptsponsor ist Pinklbräu.
«  

    »
So sieht es aus. Die Pinklbräu-Produktpalette wird vor, auf und hinter der Bühne abgefeiert. Plakate, Flyer, Monitore, Titelmusik.
«  
    »Ähm, ein normaler Vorgang im Rahmen des üblichen reziprok altruistischen Verhältnisses von Kultur und Kommerz.«  

    »
Yay. Und der Höhepunkt: die Schlussszene. Der vergiftete Trank, an dem sie alle verrecken, ist, tadaaam, eine Flasche Pinklbräu Export.
«  

    »
Das heißt, um eure Auftrittsfähigkeit zu erhalten, werden wir es natürlich durch alkoholfreies Pinklbräu Easy ersetzen, hähä.
«  
    »Und was sich hier im ersten Moment wie ein Paradebeispiel für marodierenden Kommerzialismus anhören mag, ist in Wirklichkeit ein überaus zwingendes

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