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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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ein, und ihr Duft bleibt in mir hängen. Sie dreht sich noch einmal kurz um und winkt, dann verschwindet sie um die Ecke. Erstaunlich flotte Schritte dafür, dass sie Pumps mit hohen Absätzen trägt. Der iKoffer hält trotzdem tapfer mit. Ich schließe kurz die Augen und sehe sie noch einmal vor dem Spiegel stehen und ihren Pferdeschwanz neu sortieren, ihre klaren blauen Augen konzentriert auf einen Punkt gerichtet. Ich bin überzeugt, ich könnte es sofort malen …  
    Das heißt aber nicht, dass ich, also, na, ach, egal.  
    ***  
    »Hallo Anton.«  
    »Hi.«  
    Keine Vorwürfe, dass ich zu spät komme? Wunderbar, der Knabe beginnt also zu akzeptieren, dass ich ein freier Mann bin. Ich setze mich und lächele ihn an.  
    »Ich hab eine Menge zu erzählen.«  
    …  
    »Über die Frau, in die … also, du weißt schon …«  
    …  
    »Hallo? Ich rede mit dir.«  
    …  
    »Ja. Merk ich.«  
    Das ist ja wohl die Höhe. Er ist also doch sauer, dass ich zu spät gekommen bin, nur spielt er diesmal nicht den Erzürnten, sondern den Beleidigten. Lernt er es vielleicht mal? Und überhaupt, was heißt hier zu spät ? Ich komme, wann ich will, verflixt noch mal. Ich ignoriere dieses Theater jetzt einfach.  
    »Also, soll ich jetzt erzählen, oder nicht?«  
    »Können wir zuerst Heiße Öfen spielen?«  
    Was ist nur? Ich brenne darauf, eine Tonne voll Neuigkeiten vor ihm auszukippen, und er müsste sich normalerweise heißhungrig und mit einem ganzen Waffenarsenal aus seltsamen Fragen und unerwarteten Anmerkungen darauf stürzen. Aber gut, dann ist er eben nicht in der Stimmung. Kann ja mal sein. Dann spielen wir eben. Ist ja nicht so, dass ich keine Lust hätte. Im Gegenteil, ich brenne auf eine Revanche.  
    Während ich Spielkarten und Kaffee organisiere, starrt Anton weiter missmutig auf die Tischplatte. Vielleicht Ärger in der Schule? Werde es schon noch aus ihm rauskitzeln. Ich setze mich und teile aus. Schon bald nachdem Anton die ersten Karten in der Hand hält, wird er ein anderer Mensch. Das Missmutige, Verletzte, Beleidigte verschwindet und die hochkonzentrierte, siegesgewisse, killerinstinktgetriebene Heiße-Öfen-Zockermaschine fährt aus der Garage. Das gefällt mir schon besser.  
    »220 km/h sticht.«  
    »216.«  
    Macht nichts, ich lasse ihn erst mal kommen. Soll er nur glauben, dass er das mit links gewinnt. Ich werde im entscheidenden Moment vorpreschen und ihn im Genick packen. Die Karten wandern hin und her. Auch wenn Anton als Gegner kein bisschen weniger ernst zu nehmen ist als Tobi, muss ich mich doch erst noch daran gewöhnen, dass ich gegen jemanden spiele, der nicht durch seine schiere Körpermasse den Stuhl, auf dem er sitzt, komplett zum Verschwinden bringt. Manchmal denke ich noch an den einsilbigen Empfang von vorhin. Aber jetzt wird gespielt. Längere Unterhaltungen sind während Heiße Öfen genauso unmöglich wie beim Schach.  
    Zwanzig Minuten später habe ich doch wieder verloren. Hätte nicht sein müssen. Ich hatte einfach nur an zwei entscheidenden Stellen Pech. Nächstes Mal. Antons Stimmung ist nun allerdings viel besser. Die therapeutische Wirkung dieses Quartetts ist wirklich phänomenal.  
    »Und wie war das jetzt mit der Frau, in die du verliebt bist?«  
    »Tja, stell dir vor, es hat sich rausgestellt …«  
    Ich rede eine geschlagene Viertelstunde am Stück. Wenn man bedenkt, was ich alles zu erzählen habe, ist das überhaupt nicht lang. Im Gegenteil. Ich kann stolz darauf sein, wie geschickt ich alles in diese mickrigen 15 Minuten reingepackt habe. Gut, es gab ein paar nicht ganz jugendfreie Stellen in den Passagen mit Franziska und mir, die ich rauskürzen musste. Trotzdem, ein weniger disziplinierter Erzähler wäre jetzt gerade mal an der Stelle angekommen, an der xman41 versucht, sich über den Innenhof abzusetzen.  
    »… jedenfalls, schon witzig, ich dachte die ganze Zeit, ich bin verliebt in sie, dabei kannte ich sie einfach nur aus der Schule.«  
    »Wieso glaubst du, dass du nicht verliebt in sie bist?«  
    »Verliebt? Iwo, sie ist doch noch viel zu klein … Also, nein, natürlich nicht zu klein. Nur in meinem Kopf. Genau, das ist es, in meinem Kopf ist sie viel zu klein. Da kann man älter werden, wie man will, wenn man jemanden mal zu klein fand, findet man ihn immer zu klein.«  
    »Aber du bist doch trotzdem verliebt.«  
    »Aber nein. Ich habe nur ein schlechtes Gewissen, weil ich mich damals so schäbig verhalten habe,

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