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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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ich. Sie hat sogar schon ein Kind. Warum dauert es schon wieder so lange, bis eine einfache Erkenntnis in mein Bewusstsein durchsickert? Wenn hier einer klein ist, dann ich.  
    Und ich habe keine Chance. Ich habe ihren Stolz verletzt. Früher, und letzte Woche fast noch einmal. Ich kann von Glück reden, dass wir trotz allem wieder Freunde sind, ach was, gerade mal angefangen haben, wieder Freunde zu werden. Warum muss ich mich ausgerechnet in die Frau verlieben, bei der ich gründlichst und für alle Zeiten dafür gesorgt habe, dass wir in diesem Leben kein Liebespaar mehr werden können? Aber, so bitter das auch ist, ein Entschluss, den ich schon längst gefasst habe, wird in diesem Moment noch einmal mit einem dicken Stock zentimetertief in schnell härtenden Beton geschrieben: Ich will es wiedergutmachen. Und ich werde etwas finden.  
    Zwei Straßen weiter, und ich bin am Ziel. Ich schaue seufzend auf den Hauseingang, den ich früher tagein, tagaus benutzt habe. Erster Stock, die ersten fünf Fenster links, das war meine WG . Ich bin lange nicht mehr dort gewesen. Aus meiner Zeit lebt da nur noch Gonzo, der ewige Grafikerpraktikant, und gibt den WG -Opa. Zu gerne würde ich ihn spontan besuchen, aber bis zur angekündigten Party sind es noch zwei Wochen und mein Ziel heute ist leider das Haus nebenan. Kreativagentur Forza Idee, Heim der kränksten Hirne Berlins. Und die zwei allerkränksten von ihnen, Elvin und Adrian, waren es, die ihre Pausen immer als ungebetene Gäste in unserer WG -Küche verbracht haben. Wir waren schon kurz davor, sie mit Gewalt rauszuwerfen, bis sich eines Tages die Ereignisse überschlugen. Lange Geschichte. Jedenfalls, wenn mir damals einer gesagt hätte, dass die beiden später meine Hauptarbeitgeber sein würden, hätte man meinen Entsetzensschrei bis ins südliche Neukölln gehört.  
    Das Mädchen am Empfangstresen sieht mich kommen und drückt auf den Türöffner.  
    »Hallo Oliver.«  
    »Hallo Jaqueline.«  
    »Sie warten schon auf dich.«  
    »Ich weiß. Wieder im Besprechungszimmer?«  
    »Hihi, ja, im Besprechungszimmer .«  
    Nicht dass ich die Bezeichnung »Besprechungszimmer« schön fände, aber bevor mir das Wort, das sie bei Forza Idee dafür benutzen, über die Lippen kommt, muss noch einiges passieren. Mir reicht schon, dass ich es im Aufzug neben den Knöpfen lesen muss: Skylounge . Nachdem ich meinen Finger gezwungen habe, auf den Knopf neben dem schlimmen Wort zu drücken, nutze ich den Rest der Fahrt, um an dem »o« herumzukratzen. Nicht mehr lange, und dort wird Skylunge stehen. Und dann werde ich anfangen, aus dem »l« ein »j« zu machen. Ist zwar alles nur mittelwitzig, aber immer noch besser als, wie die anderen hier, in den Spiegel zu schauen, ob der modische Oberlippenflaumbart noch richtig sitzt.  
    Und überhaupt, würde ich in den Aufzugspiegel sehen, würde ich sowieso nur wieder an Lena denken. Ach was, ich tue es ja auch so schon. Wieder steht sie da, nimmt ihre Haare in die Hände, so wie früher in der Schule bei den Faust-Proben, und …  
    Ich habe es!  
    Klar!  
    Es lag doch die ganze Zeit auf der Hand!  
    Ein Glück, dass es mir gerade noch rechtzeitig eingefallen ist. Denn, so unglaublich das auch klingen mag, es gibt auch Situationen, in denen man froh sein kann, Elvin und Adrian zu kennen. Und so eine ist jetzt. Komm Aufzug, gib Gas!  
    Ein paar Atemzüge später betrete ich die protzige Glasbox auf dem Dach des Gebäudes. Elvin, Adrian und Rüdiger Rodeo räkeln sich auf Charles-Eames-Drehstühlen und ignorieren gepflegt die fantastische Weltbeherrscher-Aussicht um sie herum. Rein hierarchiemäßig betrachtet, dürfte jemand wie ich auf keinen Fall als Letzter zu diesem Termin erscheinen. Sie können aber nichts machen, außer mir einen kurzen »Das merken wir uns«-Blick zuzuwerfen und dann wieder die professionelle gute-Laune-Fresse auszupacken.  

    »
Oliver, wie massiv wunderbar, dich zu sehen!
«  
    »Tag auch.«  
    Ich schüttele die Hände und versuche die Zeit zu nutzen, um mir meine Worte zurechtzulegen.  

    »
Dann lass uns gleich loslegen. Wir wollen ja heute immerhin nichts weniger, als die mördermäßigste Social-Web-pub … Wie hieß das noch mal, Rüdiger?
«  
    »Social-Web-publizitätskonforme Real-Life-On-Off-Installation.«  

    »
Genau, die. Die wollen wir heute kickoffen.
«  

    »
Yay. Hamlet 2.0.
«  
    »Falsch.«  

    »
Wie meinen, Oliver?
«  
    »Das Projekt wird anders heißen: Faust

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