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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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wiedergesehen haben. Ich unterbreche nur einmal kurz, um Kaffee zu bestellen. Danach setzt der Wortschwall sofort wieder ein und spült einmal durch alle Ecken unseres bisherigen gemeinsamen Lebens. Nur das Thema Verliebt-Sein spart mein Mund diesmal sorgfältig aus. Er hat dazugelernt.  
    »… jedenfalls, so war das dann am Ende. Irgendwie verrückt, oder?«  
    Sie zögert einen Moment, weil sie unsicher ist, ob ich wirklich fertig bin. Dann lächelt sie, und ihr Gesichtsausdruck dabei ist eine seltsam perfekte Mischung aus erleichtert und gequält.  
    »Ja, das kann man wohl sagen.«  
    Wie denkt sie wirklich darüber? Sie sagt nichts.  
    »Ich war ein pubertierender Volltrottel, Lena, wirklich, die, dings, Testostermone oder wie das heißt. Ich kann heute überhaupt nicht mehr begreifen, warum ich dich nicht jede Woche wenigstens ein Mal im Krankenhaus besucht habe.«  
    »Na gut, vergeben.«  
    »Wirklich?«  
    »Ich glaube schon.«  
    »Hm.«  
    »Übrigens, Oliver, nur falls du das glauben solltest – ich war nicht in dich verliebt.«  
    »Iwo, bewahre.«  
    »Ich war nur … Ja, okay, ich war doch verliebt in dich. Aber nur ein bisschen. Also nicht so richtig. Will sagen …«  
    »Schon klar.«  
    »Ja.«  
    Wir nippen an den Kaffeetassen und gucken in verschiedene Richtungen. Die Gesprächspause fühlt sich an wie eine mächtige Abrissbirne, die unsichtbar zwischen unseren Köpfen hin- und herpendelt. Ich muss was tun. Erstens, ich muss was sagen. Zweitens, anderes Thema.  
    »Wäre aber wahrscheinlich auch nicht so toll gewesen, wenn du da am Donnerstag pünktlich, aber ohne deine Akten zu dem Termin gekommen wärst, oder?«  
    »Was?«  
    »Also, der Termin am Donnerstag, zu dem du zu spät gekommen bist, also, da hast du doch sicher deine Akten gebraucht?«  
    »Akten?«  
    »Na ja, also die Papiere in deinem Koffer. Und was da noch so drin ist. Laptop, iPad, was weiß ich.«  
    »Hihi, soll ich dir mal zeigen, was wirklich in dem Koffer drin ist, Oliver?«  
    »Och, ja, klar.«  
    Die Abrissbirne verliert ihren Schwung. Mir ist alles recht, was dazu beiträgt. Lena nimmt das weiße Kerlchen auf ihren Schoß.  
    »Open.«  
    Der Deckel hebt sich lautlos und sanft. Ich kann hören, wie alle um uns herum die Hälse recken, aber wir schirmen den Koffer so mit unseren Körpern ab, dass keiner hineinschauen kann.  
    »Aber …«  
    »Simsalabim.«  
    »… da ist ja gar nichts drin.«  
    »Hihi.«  
    »Ah, ich verstehe, optische Täuschung. Pfiffig. Wenn doch mal einer den Koffer stiehlt und ihn aufbricht, denkt er …«  
    »Nein, Oliver, es ist wirklich nichts drin.«  
    Oh. Wie krass. Sie führt den iKoffer also nur zum Angeben spazieren. Entsetzlich. Ich hatte ja schon vermutet, dass sie durch meine Schuld einen kleinen Dachschaden davongetragen hat, aber dass er so groß ist … Was kann ich nur tun?  
    »Gleich wird aber wieder was drin sein.«  
    »So?«  
    »Ja. Gleich gehe ich in den Waschsalon dort gegenüber und hole meine Wäsche aus dem Trockner.«  
    »Aber … ich verstehe nicht …«  
    »Dienstag und Donnerstag ist immer mein Waschtag. Da kann ich nämlich länger Mittagspause machen.«  
    »Wie? Aber … was arbeitest du denn?«  
    »Ach, nichts Tolles. Empfangsdame bei Eppendorff von Bühring Rechtsanwälte. Teilzeit.«  
    »Aber …?«  
    »Und den Wäschetransport mache ich mit einem Businesskoffer, weil der nicht so auffällt, wenn ich ihn hinter meinem Empfangstresen rumstehen habe.«  
    »Aber … ein iKoffer?«  
    »Dem Seniorchef war der Rollkoffer, den ich vorher als Waschtagkoffer hatte, zu schäbig. Ich wollte mir schon einen neuen kaufen, aber dann hat ihm einer unserer Klienten, der Apple-Händler ist, einen iKoffer geschenkt, und er wollte ihn nicht mehr haben, nachdem er einen Stromschlag von der falsch eingestellten Diebstahlsicherung gekriegt hat, und dann hat er ihn mir weitergeschenkt. Und seit ich dank Kurt damit klarkomme, finde ich ihn klasse.«  
    »Aber …«  
    »Ja, ich muss zugeben, ich bin ein kleiner Technik-Volltrottel.«  
    »Aber … weißt du, dass dich hier alle für eine Venture-Capital-Managerin halten?«  
    »Was?«  
    »Ja. Alle glauben, dass du Riesensummen verwaltest und sie an hoffnungsvolle Start-ups verteilst.«  
    »Moment …«  
    »Deswegen …«  
    »… deswegen kommen hier dauernd Leute angekrochen und texten mich voll, was für tolle Projekte sie sich ausgedacht haben?«

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