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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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nicht einfach stehenbleiben und mit geschlossenen Augen weiterschnuppern, denn Franziska scheucht mich, kaum dass wir uns begrüßt haben und ich erklärt bekam, was sie da macht, zum Tischdecken auf den Balkon. Während ich Teller, Gläser, Besteck, Weinflasche, Korkenzieher und zur Feier des Tages sogar Papierservietten an die richtigen Stellen auf dem Tisch schubse, gleiche ich das Abhandenkommen der Geruchsempfindungen aus, indem ich das Wort »Rinderschmorbraten« vor mich hinmurmele. Rinderschmorbraten. Rinderschmorbraten. Oh, Rinderschmorbraten. Nach dem Rezept von Franziskas Mutter.  
    Gerade, als ich fertig bin, taucht meine formidable Mitbewohnerin auch schon mit den dampfenden Schüsseln in der Flügeltür auf. Hier auf dem Balkon verfliegt der wunderbare Soßendunst einfach in der Luft. Was für eine Verschwendung. Wir sollten schnell essen, bevor alles ausgeduftet ist.  
    »Na dann, guten Appetit. Bedien dich.«  
    Irgendwas in mir will »Darf ich wirklich?« sagen, aber das verkneife ich mir. Stattdessen strahle ich Franziska an, lade mir meinen Teller mit riesigen Fleischstücken, Kartoffeln und Erbsen voll und lasse eine ordentliche Kelle Soße drüberschwappen. Für einen kurzen Moment überlege ich, ob es nicht doch besser gewesen wäre, Franziska vom Fleck weg zu heiraten, statt eine WG mit ihr zu gründen, aber das darf keiner wissen, sonst heißt es »Männer« und »denken immer nur an das eine«. Haha. Hmmm …  
    Ich strahle Franziska schon wieder an, als wäre sie die Lottofee, die gerade meine Zahlen vorgelesen hat.  
    »Na, was ist denn mit dir los?«  
    »Hörst du nicht das Rumpeln? Alles Geschmacksexplosionen in meinem Mund.«  
    »Das hab ich zum letzten Mal gekocht, als ich noch zu Hause gewohnt habe. Aber ich kann es noch.«  
    »Kann man wohl sagen. Mmh.«  
    »Hm, gibts eigentlich noch einen Grund dafür, warum du so strahlst?«  
    Franziska sieht mich an, wie ich meinen Papa früher immer angesehen habe, wenn er nach Hause kam und ich genau wusste, dass er ein Geschenk für mich dabeihat. Mist. Genau. Da war ja noch was.  
    »Tja, Franziska, böse Überraschung für dich, Lena ist gar keine Venture-Capital-Managerin.«  
    »Was?«  
    »Sie sieht nur so schnieke aus, weil sie Empfangsdame in einer Anwaltskanzlei ist. Und im iKoffer transportiert sie nur Wäsche. Und die wäscht sie im Waschsalon gegenüber, weil sie sich keine neue Waschmaschine leisten kann. Sie ist nämlich alleinerziehende Mutter und der Vater zahlt keine Alimente. Von ihr gibt es also kein Geld für dein Projekt … Und ab jetzt wäscht sie dienstags und donnerstags immer bei uns. Das heißt, wenn du nichts dagegen hast.«  
    »Haha.«  
    »Nein, es ist wirklich so.«  
    Franziska schlägt sich beide Hände vor den Mund. Falls sie vorhatte, damit die Quietschgeräusche zu unterdrücken, die sie jetzt in einem fort macht, hat sie damit keinen großen Erfolg. Ich hatte erwartet, dass sie erst einmal traurig ist, aber das Gegenteil passiert. Franziska wird von einem Lachkrampf geschüttelt, der in puncto Heftigkeit schon fast an den heranreicht, den mein Freund Caio und ich damals hatten, als unser Lateinlehrer Herr Nählbein vor unseren Augen die Schultreppe heruntergekollert war und anschließend von seinem hinterherpolternden Aktenkoffer am Hinterkopf getroffen wurde. Wir konnten damals noch nicht einmal mit dem Lachen aufhören, als wir vor dem Direktor standen und zwei verschärfte Verweise gegen uns ausgesprochen wurden.  
    »K… hihihihihi … k… hihi … k… hihihi … k… hihihihihihihihihihi … k… hihihi …«  
    »Alles klar, Franziska?«  
    Ein Glück nur, dass sie gerade keinen Bissen im Mund gehabt hat.  
    »K… hihihihihhiihihihihi … k… kei… keine Venture-Capital-Managerin? Ich flipp aus! Hihihihihihihihihihi!«  
    »Tscha, so siehts aus.«  
    »Wenn ich überlege … hihihi … sogar Rüdiger Rodeo hat mal versucht, ihr ein Projekt zu vorzustellen … pfffffhihi … Na, kein Wunder, dass sie immer so abweisend war … Oder hat sie die Leute mit Absicht getäuscht?«  
    »Nein, überhaupt nicht. Sie wäscht ihre Wäsche immer im Waschsalon gegenüber und trinkt im Coffee & Bytes einen Kaffee, während die Maschine läuft. Und den iKoffer hat ihr ihr Chef geliehen, weil er ihren alten Koffer zu schäbig fand.«  
    Franziska kichert immer noch, kriegt sich aber langsam wieder ein. Ich trinke mein Weinglas aus, gebe mir einen Ruck und erzähle einmal

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