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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Autoren: Matthias Sachau
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zum Beispiel mit übergeschlagenen Beinen dasitzen und damit andeuten, dass sie der Typ noch auf keinen Fall ganz überzeugt hat, aber ihre Arme würde sie nicht mehr vor der Brust verschränken, geschweige denn damit ihre Knie umklammern, wie Lena es gerade tut. Aber vielleicht bedeutet Körperhaltung im wahren Leben ja auch nicht ganz so viel, wie sie im Film immer tun. Vielleicht sitzt Lena einfach gerne kugelig da, wenn sie entspannt ist und sich in vertrauter Umgebung befindet. Und wenn mein Balkon es schon mal in die Liste ihrer vertrauten Umgebungen geschafft hat, dann ist das doch wunderbar. Außerdem ist Lena heute viel besser gelaunt als letztes Mal.  
    Das mag daran liegen, dass ich diesmal darauf geachtet habe, nicht in einen Nacktringkampf mit Franziska verwickelt zu sein, wenn sie auftaucht, aber irgendwie glaube ich, dass das bei weitem nicht der einzige Grund ist. Sie ist sicher mehr so der Frauentyp, der sich zuerst innerlich öffnet. Ihre Vorbehalte gegen mich fangen erst ganz tief in ihrem Kern an zu schmelzen, während an ihrer Körperhaltung noch nichts zu bemerken ist, dann arbeitet sich die Erkenntnis immer weiter nach außen, und am Ende, schwupps, öffnet sie sich auf einen Schlag und tanzt auf mich zu. Ich muss es nur abwarten.  
    Zum Glück hat ihr Gesicht aber eine direkte Verbindung zum schmelzenden Kern. Sie lächelt. Das hat sie letztes Mal kaum getan. Bestimmt hat sie mein Gedicht nicht gefunden. Sonst wäre sie bestimmt nicht noch einmal gekommen. Oder sollte ich mich täuschen? Besteht die Möglichkeit, dass sie mein Gedicht doch gefunden hat und dass ich die Wirkung von komplett wirren Worten auf Frauenherzen völlig falsch eingeschätzt habe? Wenn ich es nur wüsste. Aber ich kann sie nicht einfach darauf ansprechen. Wenn sie es nicht gefunden hat, würde ich sie ja mit der Nase darauf stoßen. Nein, wenn, dann muss ich es irgendwie aus ihr herauskitzeln.  
    »Hast du eigentlich letztes Mal dieses flache weiße T-Shirt mit den Buchstaben drauf mitgenommen, Lena?«  
    »Ein flaches weißes T-Shirt?«  
    »Ja. Mit Buchstaben drauf … und so.«  
    »Was meinst du mit flaches T-Shirt ?«  
    »Es gibt ganz spezielle, die sind besonders flach. Weißt du, was ich meine?«  
    »Hihi, ich würde mal sagen, wie flach ein T-Shirt ist, hängt nicht vom T-Shirt ab, sondern von dem, der es trägt.«  
    »Aber wenn das weiße T-Shirt gar nicht getragen wird?«  
    »Ich weiß zwar nicht, worauf du hinauswillst, aber ich habe keine T-Shirts mit Buchstaben drauf vermisst, falls du das meinst.«  
    »Und neu hinzugekommen sind auch keine?«  
    »Ach so, fehlt dir eins von deinen?«  
    »Das … kann man so sagen.«  
    »Ich kann ja noch mal nachsehen.«  
    Nein, alles klar. Sie hat es nicht gefunden. Wusste ich es doch gleich.  
    »T-Shirts mit Worten sind ehrlich gesagt auch nicht so mein Fall, Oliver. Worte können mich richtig berühren, aber solche Worte stehen nicht auf T-Shirts.«  
    Sie guckt in den Himmel.  
    »Manchmal können sie ganz wirr sein, aber sie haben eine unheimliche Kraft. Weißt du, was ich meine?«  
    »Glaub schon.«  
    Dann hat sie es also doch gefunden? Und sie mag wirre Worte. Was für ein Glück. Aber, hm, was jetzt? Soll ich …? Wird sie …?  
    »Ach, wenn ich überlege, dass ich jetzt wieder mal im düsteren Waschsalon sitzen würde, wenn ich dich nicht wiedergetroffen hätte und alles.«  
    Ihr Lächeln. Atombombe in meinem Brustkorb.  
    »Irgendwie … geht es dir heute ganz gut, Lena, oder?«  
    Mist, das war bestimmt nicht wirr genug.  
    »Weißt du, ich hatte ein gutes Gespräch mit einer Freundin, und ich habe jetzt eine andere Einstellung zu der Sorgerechts-Gerichtsverhandlung nächste Woche.«  
    »Oh, tatsächlich?«  
    »Sie hat mich gezwungen, mir vorzustellen, was das Schlimmste wäre, was passieren könnte. Erst musste ich mich überwinden, aber als ich es dann am Ende getan habe, ging es mir viel besser. Weißt du, selbst wenn das Schlimmste passieren würde und ich mein Sorgerecht an den GAAZ verliere und Bommi zu ihm ziehen muss – wir sind trotzdem alle weiter am Leben, gesund und unverletzt, verstehst du? Und außerdem liegen in der Zukunft noch tausend Möglichkeiten, wie alles wieder besser werden kann.«  
    »Ich verstehe. Darf ich fragen, was deine Freundin beruflich macht?«  
    »Lehrerin an einer Waldorfschule. Warum? Vorurteile?«  
    »Nein. Und ich glaube auch, dass das, was sie gesagt hat, manchmal helfen
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