Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman
Autoren: Matthias Sachau
Vom Netzwerk:
man nicht.«  
    »Heee, Krach, nicht einschlafen!«  
    »Das sieht nur so aus.«  
    Von wegen. Ich sollte schleunigst anfangen, bei den Gesprächen mitzumachen, sonst liege ich wirklich gleich mit dem Kopf in der Soße.  
    »Hast du eigentlich schon deinen Faust 2.0-Text gelernt, Andreas?«  
    »Hör mir bloß auf damit. Ich sitze fast rund um die Uhr dran, aber ich kriegs nicht hin.«  
    »Mach dir keine Sorgen, das gehört zum Konzept. Ich habe heute mit Rüdiger geprobt und …«  
    »Wie, du hast mit Rüdiger geprobt? Warum waren wir nicht dabei? Am Montag ist die Aufführung!«  
    »Tja, Rüdiger hat gesagt, er will keine durch zu viel Probenarbeit verbalkorrumpierten Darsteller, sondern pures antidezent-disproportioniertes Agieren . Er nennt das kategorischen Spontanprimitivismus .«  
    »Und was habt ihr dann überhaupt bei der Probe gemacht?«  
    »Nicht viel. Ich habe ihm meine Mephisto-Stimme vorgeführt, und den Rest der Zeit hat er mir sein neues Konzept erklärt.«  
    »Hat er endlich die Singpassagen gestrichen?«  
    »Nein, im Gegenteil, er hat extra einen südamerikanischen Bossa-Nova-Komponisten engagiert, der die Lieder neu vertonen soll. Ist noch in Arbeit.«  
    »Nein! Was noch alles?«  
    »Och, nichts Besonderes, wir werden alle in lila-braunen Kostümen auftreten. Begründung hab ich vergessen.«  
    »Igitt!«  
    »Ach nein, stimmt nicht ganz. Alle außer Faust. Faust kriegt einen Anzug von einem angesagten Modedesigner aus Mitte auf den Leib geschneidert.«  
    »Hihi, ruderfrosch im feinen Zwirn.«  
    »Nein, Rüdiger wird selbst den Faust spielen, Kurt ist draußen. Rüdiger findet ihn zu melanchomedioker .«  
    »Boa.«  
    »Oh, und nicht zu vergessen, Rüdiger hat ein Gretchen in die Szene eingebaut.«  
    »Wie? Gretchen tritt doch in Auerbachs Keller gar nicht auf.«  
    »Jetzt schon.«  
    »Und was sagt sie?«  
    »Gar nichts. Sie wird sich devot um Rüdiger-Fausts Beine schlängeln. Nackt.«  
    »N… nackt?«  
    » Starke Aussage durch pure hyperreduktionistische Minimalperformanz .«  
    »U… und wer spielt das Gretchen?«  
    » devotionella26. «  
    »Schade, ich dachte Franziska …«  
    »Seit dem Supermarkt-Pac-Man denkt ihr, dass ich jeden Käse mitmache.«  
    »Na ja.«  
    »Ich hab jetzt andere Sorgen. Ich muss einen geeigneten IT-Chef für ein echtes Business-Projekt finden. Da geht es um Leben und Tod.«  
    »Aber es laufen doch haufenweise Programmier-Nerds rum.«  
    »Ja, aber wenn ihr glaubt, dass die alle gleich gut sind, habt ihr euch getäuscht. Alleine jemanden zu finden, der in der Lage ist, vormittags aufzustehen, ist ein Problem.«  
    »Und wie gehst du jetzt vor? Kennst du dich da überhaupt aus?«  
    »Nicht besonders. Aber ich habe einen Kandidaten, bei dem alles darauf hindeutet, dass er richtig gut ist. Ich werde ihm eine harte Testaufgabe stellen. Nehmt euch noch Knödel. Die werden kalt.«  
    »Bist du eigentlich auch auf Facebook, Diana?«  
    »Nein, nur meine Agentur.«  
    »Och.«  
    …  
    …  
    Warum lachen denn alle so? So witzig war das doch auch wieder nicht … Ach, verstehe. Jetzt bin ich doch eingeschlafen. Mist. Ein Glück, dass ich Lena nicht eingeladen habe.  
    »Du solltest wirklich ins Bett, Krach.«  
    »Nicht ohne Nachtisch.«  
    Ich hebe den Kopf aus der Soße, gehe ins Bad, um mich sauber zu machen, und bin stolz auf meine, wie ich finde, ausgesprochen souveränen Worte in dieser entwürdigenden Situation.  

Donnerstag  
     
    Der Muskelkater ist viel schwächer als letzte Woche. Natürlich konnte ich auch heute keine Sprints mit dem Fahrrad hinlegen, um zu meinen Terminen zu kommen, aber hin und wieder ein leichtes Beschleunigen, um eine grüne Ampel noch zu kriegen, war durchaus drin. Noch zwei, drei Fußballtermine, und ich bin wieder der Alte. Und am besten immer mit anschließendem Franziska-Essen. Die Kocherei ist das Einzige, in das sie sich gerade so reinhängt wie in ihr Projekt. Zum Glück weiß ihre alte WG nicht, was ihr da entgeht, sonst würde sie sie kidnappen.  
    Ich sitze wieder auf dem Balkon, wieder mit Kaffee und wieder mit schönem Wetter. Und neben mir kauert wieder eine Lena-Kugel. In einem ZDF -Liebesfilm müsste die weibliche Hauptdarstellerin ihre Sitzhaltung zu diesem Zeitpunkt der Geschichte schon längst geöffnet haben, um auf der Bildebene zu signalisieren, dass ihre Vorbehalte gegenüber dem männlichen Hauptdarsteller langsam dahinschmelzen. Sie könnte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher