Linksträger: Roman (German Edition)
musste bestimmt nie nachts raus, um Toffifee und irgendwas mit Minze von der Tanke zu holen.
2 Limousine oder Transporter?
N ach einer überaus kurzen Nacht und einer Art Kindergartenfrühstück, bestehend aus einem Tetrapack Drachenfrucht und einer BiFi-Roll, befinden wir uns auf dem Weg zu unserer künftigen Schwangerschaftsberaterin. Jana hat die Praxis für ganzheitliche Schwangerschaftsberatung und -einleitung im Internet gefunden. Zum Glück wollte sie keinen dieser Hechelkurse machen. Stattdessen meinte sie, dass es doch eine witzige Idee sei, einen fünfstündigen Intensivkurs für werdende Eltern zum Einklang der Chakren und Meridiane von Mutter und Kind zu belegen. Außerdem gehe es dabei auch um die Schwingungen zwischen dem Elternpaar und die Festigung der Beziehung zueinander und dass das toll wäre. Verstanden habe ich zwar nichts davon, doch alles schien mir besser zu sein, als einmal die Woche in einer Gruppe um die Wette zu hecheln.
Die Praxis befindet sich in Bockenheim, und heute ist der erste Termin. Wir haben den Wagen auf dem Parkplatz an der Bockenheimer Warte abgestellt und eiern nun über die Pflastersteine der Leipziger Straße.
»Scheiße, scheiße, scheiße«, flucht Jana, während sie von Fuge zu Fuge tippelt.
»Was ist los?«, frage ich.
»Mich drückt es bei jedem Schritt so dermaßen auf die Blase, und außerdem zwicken meine Schuhe wie verrückt.«
Seit Wochen jammert Jana darüber, dass ihre Beine und Füße vor lauter Wassereinlagerungen immer dicker werden und sie weder ihre geliebten engen Jeans noch ihre tollen Schuhe tragen kann. Doch anstatt sich dieser neuen Begebenheit anzupassen, ficht sie den aussichtslosen Kampf gegen die Zeichen der Schwangerschaft und zwängt sich wie heute in ihre hohen Lieblingspumps.
Ich wage leise Kritik: »Hast du dir schon mal überlegt, dass das vielleicht nicht das richtige Schuhwerk für eine Frau im achten Monat ist?«
»Was willst du mir damit sagen? Dass ich fett bin? Danke, das weiß ich selbst.«
»Nein.« Ich winke entschieden ab. »Natürlich nicht, es ist nur, weil … Die Pumps sind doch viel zu hoch. Was haben die? Fünf Zentimeter? Sechs?«
»Acht.«
»Siehst du, noch schlimmer.«
Jana tippelt drei Schritte weiter, dann bleibt sie erneut stehen. »Warte mal kurz.« Sie schlüpft aus einem der Schuhe und bewegt ihren Fuß kurz hin und her. Der Versuch, ihn wieder anzuziehen, misslingt. »Hilf mir mal, ich komm da nicht rein.«
Ich knie vor Jana nieder, und gemeinsam versuchen wir, den angeschwollenen Fuß zurück in seine Passform zu manövrieren, was sich jedoch als äußerst schwierig herausstellt. Man könnte stattdessen auch versuchen, einen Airbus in einer Doppelgarage zu wenden.
»Irgendwie will das nicht, Jana.«
»O Gott. Du hast recht. Ich sehe aus wie dieser dicke Fußballtyp aus dem Fernsehen. Wie heißt der doch gleich?«
»Waldemar Hartmann.«
»Nein, nicht der Moderator. Der richtig dicke, der Manager, der immer so endlos labert.«
»Reiner Calmund.«
»Genau. Der Calmund, den mein ich. Ich finde, von hinten könnte man uns schon für Zwillinge halten, oder?«
Zum Vergleich dreht sich Jana ins Profil. Doch selbst mit Achtlingen würde sie Calli gewichtsmäßig nie das Wasser reichen können. Zumindest hat die kurze Drehung ihres Körpers zur Folge, dass der Fuß wie durch Zauberhand zurück in den Schuh gleitet.
»Ah, der Fuß ist drin. Na, siehst du.«
Wir setzen unseren Weg fort, während ich noch mal auf ihre Figur zu sprechen komme.
»Und um ehrlich zu sein, sieht Calli von hinten schon allein wie ein Zwillingspaar aus.«
»Das ist lieb, aber du willst mich bestimmt nur beruhigen. Ich fühle mich so aufgedunsen wie ein Hefekloß. Und schau dir nur mal meine Lieblingspumps an.«
Jana stützt sich mit einer Hand an der Hauswand ab.
»Nicht wieder ausziehen.«
»Nein.« Jana schüttelt den Kopf und deutet stattdessen mit dem ausgestreckten Zeigefinger der anderen Hand auf die hohen Absätze ihrer Schuhe. »Die Pumps können meine Kilos kaum noch tragen. Wenn ich noch drei Tage in denen umherlaufe, ist der Absatz so runter, dass ich am Ende nur noch flache Ballerinas unter den Füßen habe.«
Ich schätze, binnen der nächsten vier Sekunden folgt die Frage, die auf der Fangfragenliste für Männer noch vor Woran denkst du gerade? , Steht mir das? und Hörst du mir denn eigentlich nie zu? rangiert. Es dauert sogar nur drei Sekunden, dann purzelt es auch schon aus Janas Mund.
»Findest du, dass
Weitere Kostenlose Bücher