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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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Weißt du, ich kann das Kind auch alleine großziehen …«
    4, 3 …
    Meine Güte, das ist ja schlimmer als bei Columbo. Hier wird einem wirklich jedes Wort im Munde umgedreht.
    »Nein, nein, da hast du mich falsch verstanden.«
    »Ach, jetzt verstehe ich doch auch noch falsch. Bin ich also wieder mal an allem schuld?!«
    … 2, 1…
    Es wird eng.
    »Nein. Ich wollte nur frische Luft schnappen. Einfach nur so, aber das war eine blöde Idee. Vergiss es.«
    »Ehrlich?«
    … ready for take off …
    »Ehrlich.«
    »Okay.«
    Aus dem Kopfkissen höre ich Mission Control zu mir sprechen: Der Countdown wurde erfolgreich unterbrochen.
    Das war knapp.
    »Alles wieder gut?«
    »Ja.« Jana atmet einige Male tief durch, dann wendet sie sich wieder mir zu. »Kannst du auch noch was mit Minze mitbringen.«
    »Mit Minze. Natürlich … Minze ist toll, kein Problem.«
    Ich ziehe mir rasch noch einen Pullover über und verbiete mir jeden weiteren Kommentar, jede zusätzliche Regung, und sei es auch nur, die Augen zu verdrehen. Jana steht noch auf der Abschussrampe und könnte jeden Moment wieder die Triebwerke zünden. Auf meinem Weg durch den dunklen Flur stoße ich mir einmal schmerzhaft den Zeh und fluche zweimal still. Mit geschlossenen Augen und ausgestreckten Armen hüpfe ich auf einem Bein weiter bis zur Holzschale neben der Haustür, in der sich die Autoschlüssel befinden. Anschließend ziehe ich die Tür hinter mir ins Schloss, schlüpfe in meine Sportschuhe und stecke mir kopfschüttelnd den Gurken-Eis-Toffifee-und-irgendwas-mit-Minze-Einkaufszettel in die Hosentasche.
    Dann überlege ich, wie lange man um diese Uhrzeit wohl braucht, um von Frankfurt in den Spreewald zu fahren …

TEIL 1 Alles eine Karmafrage

1 … und noch was Saures
    Z u dieser späten Stunde fällt mir nur eine Möglichkeit ein, wie und wo ich Janas Gelüste befriedigen kann: meine ehemalige Arbeitsstelle, eine Tankstelle in einem Industriegebiet am mit Abstand hässlichsten Ende der Stadtperipherie Frankfurts. Hier habe ich eine ganze Weile während meiner Unizeit gejobbt. Schließlich habe ich mein BWL -Studium für meine Verhältnisse dann doch ganz gut zu Ende gebracht und bin nun in einem mittelständischen Unternehmen für Sanitärprodukte tätig. Ach ja, und Vater werde ich auch sehr bald. Und da Jana kurz vor ihrer Schwangerschaft noch eine fette Beförderung von ihrem Chef bekommen hat, können wir uns nun eine schicke Hundert-Quadratmeter-Wohnung im Frankfurter Nordend leisten. Das Leben läuft also gerade echt fantastisch. Okay, Jana hat sich seit Beginn der Schwangerschaft hormonbedingt etwas verändert. So sind ihre apokalyptischen Schübe und ihre Essenswünsche nach Süßem oder Saurem schon etwas nervig. Und auch meine Libido ist deutlich reduziert. Irgendwie habe ich immer das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, wenn ich mich meinem ungeborenen Kind mittels meines Penis nähere. In der Schwangerschaft muss man als Mann einfach zwischen dem Chauffeur- und Eunuchenmodus hin- und herswitchen können. Man muss sich anpassen. Mutieren. Nicht umsonst war schon früher bei Captain Future meine Lieblingsfigur Otto: der Gummimensch, der sich in alles verwandeln konnte, was er wollte. Ja, Vater werden ist nicht Brause lutschen. Es ist vielmehr eine knallharte Ausbildung zur folgsamen, paramilitärischen Befehlsmaschine. Man wird eingezogen, ob man will oder nicht. Schon die Musterung ist reine Schikane, denn das Ergebnis steht lange vorher fest: Voll einsatzfähig!
    Und schon steht man im Dienst der schwangeren Fremdenlegion unter der Befehlsgewalt einer gebärfreudigen Frau im Endstadium. Man darf nichts hinterfragen, muss einfach nur funktionieren. Am besten stumm. Denn auch Jana verwandelt sich ab und zu. Aber nicht in witzige Comicfiguren der Achtzigerjahre. Nein! Sie mutiert zu einer Art zentralafrikanischem Warlord, der alles vernichtet, was sich ihm in den Weg stellt. Da muss man auf der Hut sein. Ein falscher Schritt, eine falsche Äußerung – und die Hölle bricht los.
    Ich bin auf der Hut.
    Immer und überall.
    »Nimm Jana noch ’ne Tüte Saures mit«, empfiehlt mir Silke, meine ehemalige Kollegin, selbst dreifache Mutter und somit Trägerin des Purple Heart der Gebärenden. Sie hat sich nicht den Hauch darüber gewundert, als ich vor fünf Minuten zur Schiebetür reinkam und ihr von meinem nächtlichen Auftrag berichtet habe. Silke kann nichts erschüttern, was mit Schwangerschaft zu tun hat. Sie hat ja, wie gesagt, selbst drei

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