Linksträger: Roman (German Edition)
erstaunt.
»Was?«, rufe ich noch erstaunter hinterher.
»Was?«, ruft Opa Karlo, der es aber nur nicht richtig verstanden hat.
»Blödsinn.« Jana steht neben mir auf. »Wie kommst du denn darauf, Falco?«
»Doch, Jana. Ich mag dich, und ich mag auch Robert. Ich schätze seine Arbeit als Küster, aber es muss einfach gesagt sein. Ich denke, er ist nicht der richtige Mann für dich. Er lebt eine Lüge und ist schwul. Willst du nicht die Mauer des Schweigens brechen, Robert?«
»Ich? Ich muss nichts brechen. Höchstens deine Nase, wenn du noch mehr Blödsinn erzählst.«
»Willst du etwa abstreiten, dass du mich in den Tagen in Frankfurt geradezu bedrängt hast?«
»Bedrängt? Schwachsinn.«
»Waren wir also nicht in einem Geschäft für Homosexuelle, um meinen Anzug zu kaufen?«
Ein Raunen geht durch die Reihen der Hochzeitsgesellschaft.
»Doch, aber das … das hast du nur missverstanden.«
»Missverstanden? Das glaube ich nicht. Du hast mich ja sogar in einen Sadomaso-Laden für Schwule mitgenommen. Außerdem hast du mir immer wieder zweideutige Fragen gestellt und mir in einer Tabledance-Bar sogar einen männlichen Stripper auf den Hals gehetzt.«
Selbst Nora ist nun aufgewacht, auch wenn sie geistig noch etwas hinterherhinkt. »Du warst in einem Stripladen, Brummelbärchen?«
»Nur wegen ihm, Gürkchen. Das war seine Idee.«
»Schwachsinn.« Ich schüttele eifrig den Kopf. »Ich doch nicht. Ich bin so was von hetero. Meine Freundin ist schwanger, ist das nicht Beweis genug, dass ich nie etwas mit Männern anfangen könnte?«
»Na ja…«, ertönt es ein paar Stuhlreihen weiter vorn, und Silvio steht auf. »Ich möchte auch was dazu sagen …«
»O nein, bitte nicht«, versuche ich, ihn zu bremsen.
»Nein, Robert, das ist schon okay und sowieso längst überfällig.«
Ich schlage die Hände vors Gesicht und überlege, ob ein vorgetäuschter Herzanfall meine Situation verbessern könnte.
»Ich wollte es euch allen schon lange sagen, traute mich aber bislang nie. Bisher war es nur eine Vermutung, die ich lediglich Falco und meiner Mutti anvertraut habe. Doch letzthin wurde mir, durch Roberts Hilfe, ein für alle Mal klar, dass ich auf Männer stehe. Ja, auch ich bin schwul. Danke, Robert.«
Silvio nimmt wieder Platz. Einige der älteren Herrschaften schütteln betreten den Kopf, andere sitzen mit offenem Mund da, und Opa Karlo deutet aufs Parkett.
»Das is wirglisch än doller Bageddböden.«
»Ach ja …« Silvio schnellt wieder hoch und zeigt in meine Richtung. »Robert und ich hatten da eine kleine Fummelei im Eiskanal. Wenn du also zu unserer Liebe stehst, Robert, ich bin bereit und erwarte dich mit offenen Armen. Tut mir leid, Jana.«
»Was?«, ruft Jana wieder erstaunt.
»Was?«, rufe ich erneut noch erstaunter hinterher.
»Was?«, ruft auch Opa Karlo erschrocken, da Falco zu applaudieren begonnen hat und seinen Bruder in die Arme schließt.
»Bravo, Silvio. Ich bin so stolz auf dich, dass du es endlich laut sagst. Und ich kann dich nur beglückwünschen: Robert ist ein toller Mann.«
»Aber, aber … ich …«
Weiter komme ich nicht, denn ein weiterer Mann möchte sich gerne mitteilen. Es ist Maik.
»Also, ich könnte es jetzt nicht beweisen, dass Robert schwul ist …«
»Seht ihr«, ich nicke, »auf den Maik sollte man hören, der hat dafür ein feines Gespür. Der kennt sich aus.«
»… aber …«
»Aber?«, fahre ich erschrocken herum.
»… aber als wir aus dem Bob stiegen, sah ich durch die dünnen Rennanzüge etwas, das zumindest einen Hinweis gibt. Dazu muss ich erklären, dass ich vor ein paar Tagen in einer Studie aus den USA gelesen habe, dass man anhand des Ablegens des Penis erkennen könne, ob jemand schwul ist oder nicht. Rechts ist demnach schwul und links heterosexuell. Und Robert hatte ihn rechts.«
»Blödsinn. Wer glaubt denn so einen Scheiß?«
Silvio zuckt mit den Schultern und sagt: »Also bei mir stimmt es.«
»Bei mir auch«, pflichtet Falco bei und deutet dabei mit seinem Daumen nach links. Es entsteht ein Wirrwarr von Stimmen im Standesamt, als alle Männer im Saal den Sitz ihres Penis kontrollieren und in diverse Richtungen zeigen.
»Links.«
»Stimmt tatsächlich.«
»Ja, bei mir auch.«
»Das gibt’s doch nicht …«
»Is ja ein Ding.«
Selbst Herr Krummbichel lächelt beschämt und deutet nach rechts. »Dann muss ich es wohl auch zugeben.«
Und selbst Opa Karlo scheint sein Hörgerät justiert und diesmal alles verstanden zu haben.
Weitere Kostenlose Bücher