Linna singt
würde eine solche Formulierung passen, doch aus Falks Mund klingt sie merkwürdig fremd und gestelzt. Ihm gehören die weichen Silben und Konsonanten. Ob daraus Rückschlüsse über seine Kussqualitäten zu ziehen sind? Moment mal, seine Kussqualitäten kenne ich doch. Aber er könnte dazugelernt haben … Zurück zum Thema. Schnell.
»Hast du gar keine Zweifel?« Bitte, Falk. Sag mir, dass du Zweifel hast. Ich will nicht, dass es Jules ist. »Ich dachte immer, ihr wart Freunde, Jules und du.« Je mehr ich mich entspanne, desto schwerer sinke ich gegen Falks Brust. Mein Hinterkopf ruht ganz in der Nähe seines Herzens, ich glaube sogar, seine Schläge in meinem Nacken zu spüren. »Ihr habt doch schon miteinander zu tun gehabt, bevor du zu uns in die Band gekommen bist.«
Jules hatte Falk sogar von Beginn an als Gitarristen haben wollen, aber Maggie war dagegen gewesen. Falk hatte gerade erst angefangen zu spielen, und das auch noch als Autodidakt, und ich denke, dass Maggie recht hatte. Er hätte uns in unserer Entwicklung aufgehalten. Er kam genau zum richtigen Zeitpunkt in die Band und ist genau zum falschen Zeitpunkt ausgestiegen. Oder doch zum richtigen?
»Ja, stimmt. Wir sind Freunde. Er ist manchmal mit mir zusammen am See herumgestromert und wirkte dabei immer ganz ruhig und zufrieden. Wenn wir angelten, hat es nicht viel Worte zwischen uns gebraucht. Aber das heißt ja nicht, dass er zu solchen Dingen wie hier nicht in der Lage ist. Es gab immer wieder Momente, in denen er sich krass verhalten hat, auch früher schon. Das weißt du selbst, Linna. Ich will ihn nicht von vornherein verurteilen, wir wissen ja nicht, was dahintersteckt, aber sollte er es sein, müssen wir ihn stoppen.«
»Und wenn er austickt? Wo ist eigentlich die Axt?«, frage ich bang. Hatte ich sie nicht im Auge behalten wollen? Was ist, wenn diese Hütte zu Klein Shining wird und Jules bewaffnet nach oben kommt, um die neue Botschaft an die Wand zu schmieren? Normalerweise dürfte es Falk und mir ein Leichtes sein, ihn zu überwältigen, doch wenn ich daran denke, wie er den Zigarettenautomaten von der Wand geprügelt hat, wird mir so unbehaglich zumute, dass ich automatisch meinen Kopf anhebe. Falk merkt es und streicht mir mit dem Daumen über den Nacken. Augenblicklich schmiegt sich mein kurzer Schopf wieder unter sein Kinn.
»Axt …« Ich spüre, wie er leicht erbebt. Es amüsiert ihn. »Glaubst du das? Dass Jules axtschwingend auf den Dachboden rennt? Warte mal …« Er nimmt mich bei den Hüften und lagert mich so um, dass er sein rechtes Bein ausstrecken kann und mich dafür mit dem rechten Arm hält. Nun liegt mein Ohr an seinem Herzen und mein Hintern ist seiner linken Hand gefährlich nahe und … Moment … was ist das? Ich drücke meine Wange etwas tiefer in seinen dicken Wollpullover … ja … das ist doch … hmm … Wie ein Hund, der eine hochinteressante Fährte aufgenommen hat, lasse ich meine Nase schnuppernd weiterwandern, bis sie seine Achselhöhle erreicht hat und ich mir sicher bin, mich nicht zu täuschen.
»Ich rieche dich!«, quieke ich entzückt und inhaliere seinen Duft so tief, als könne er mir das Leben retten. »Ich kann dich riechen …«
»Ähm, ja, das ist kein Kunststück, ich habe seit vorgestern nicht mehr gebadet, sorry, aber … Mozzie? Was machst du da?«
Ich kann nicht aufhören, ich muss weiterschnuppern, an seiner Brust, seinem Hals, seiner Hand, um meine eigenen Sinne zu überprüfen, aber es ist kein Irrtum, ich rieche ihn. Er duftet markant nach Mann, genau, so riecht ein Mann, der gearbeitet hat, doch es ist auch ein sanft-salziges Aroma dabei und ein letzter, verblassender Hauch Duschgel, irgendeine frische, maritime Note. Alles zusammen ergibt einen wundervollen Mischmasch aus Mann, Mann und noch einmal Mann und das Berauschendste daran ist, dass ich ihn wahrnehmen kann. Ich kann gar nicht genug davon kriegen, am liebsten würde ich ihn auf der Stelle nackt ausziehen und mit der Nase seinen gesamten Körper untersuchen.
»Ich kann dich riechen«, flüstere ich selig. »Meine Nase …« Ich berühre sie mit der Spitze meines Zeigefingers, eine ehrfürchtige Segnung für ihre wiedererlangten Fähigkeiten. Ich kann zwar nur einen Bruchteil von dem erahnen, was seinen Geruch wahrhaftig ausmacht, aber für mich ist es bereits eine Sensation, ihn überhaupt riechen zu können.
»Und das ist – außergewöhnlich? Dass du mich riechst?« Falk will mich von sich wegdrücken, um mich
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