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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Was war los? Du warst eben in der Sauna und …?«
    »Ist eigentlich albern. Ich hab mich in die Sauna gesetzt, es war stockdunkel bis auf den schwachen Lichtschein aus dem Ofen und – ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Dass sich Augen in meinen nackten Rücken bohren. Gierige Augen. Ich weiß nicht mal, ob da jemand war! Aber ich war plötzlich wieder acht und in diesem stickigen Raum gefangen, ich wollte nur noch weg und vergessen …«
    »Mit mir.«
    »In dir, um genau zu sein«, verbessert mich Falk mit einem breiten Grinsen. Ja, so habe ich es vorhin ebenfalls in Gedanken formuliert, auch wenn ich es eher symbolisch meinte. In der Umsetzung käme es wohl ungefähr aufs Gleiche raus.
    »Ferkel«, weise ich ihn milde zurecht. »Du hast keine Ahnung, ob da wirklich jemand war? Hinter dir?«
    »Nein. Ich bin rausgegangen, ohne nachzusehen. Ich wollte nur noch weg.«
    Wie ähnlich wir uns doch sind, denke ich erstaunt. Hätte ich ihm an dem dunklen, panischen Morgen nach meinem Vollrausch von meinen Gefühlen erzählt, hätte er mich wahrscheinlich besser verstanden als jeder andere. Stattdessen habe ich mich auf Socken den Berg hinuntergestürzt. Und doch: Ich lockte den Tod, Falk dachte ans Fortpflanzen. So unterschiedlich kann man mit Angst umgehen.
    Wieder kommt mir Tobi in den Sinn. Ob er es war, der Falk einen solchen Schrecken eingejagt hat? Er hat vorher mit Falk Holz gemacht. Erst harte Arbeit, dann gemeinsames Saunieren und Entspannen und Kuscheln? Ich traue es ihm zu. Wenn seine Libido nur annähernd so ausgeprägt ist, wie ich annehme, muss es ihm demnächst aus den Ohren rauskommen, falls er nicht bald bei jemandem landen kann. Falk ist zwar nicht mehr so süß wie früher, aber er strotzt vor Vitalität und Freibeutercharisma. Gut möglich, dass er damit in Tobis Beuteschema fällt. Vielleicht hat er ihn auch einfach nur angesehen und allein das hat genügt, um in Falk einen Flashback auszulösen.
    Betreten erkenne ich, wie sehr die Botschaft an der Wand mein Denken beeinflusst. Auf einmal ist Tobi mitten in meinem Schwulenradar. Hätte die Schmiererei nicht in der Küche geprangt, hätte ich vermutlich keinen Gedanken daran verschwendet. Aber jetzt unterstelle ich ihm schon das zweite Mal innerhalb weniger Stunden Bisexualität.
    »Ich ziehe mir dann wohl mal was über«, verkündet Falk mit aufrichtigem Bedauern und auch ich bedaure so viel, dass ich mich ohrfeigen könnte. Schon wieder war ich nah dran, so verflixt nah dran, und habe eine weitere Gelegenheit verstreichen lassen. Wann die nächste kommt, ist ungewiss, denn auf die Lauer werden wir uns nicht mehr zu legen brauchen. Dort, wo wir Wache halten, wird der Täter nicht zuschlagen.
    Falk stemmt sich hoch, zurrt sich das Handtuch fester und erhebt sich, um zur Tür zu gehen. Ich muss meine rechte Hand mit der linken auf die Matratze drücken, damit sie ihn nicht festhält und ich ihn bitte, zu bleiben und das zu tun, weshalb er hergekommen ist, Liebe machen statt einer weiteren tiefgründigen Seelenmassage. So blicke ich ihm nur stumm hinterher und lasse ihn ziehen.
    Eine Nacht haben wir noch. Eine Nacht, falls es Simon nicht schlechter geht … Ohne zu überlegen, stehe ich auf und gehe zu ihm. Maggie weiß inzwischen, dass er sich verletzt hat, und wird seine Wunde untersucht haben. Doch ich habe ein Handy, kann Hilfe holen. Ich muss entscheiden, ob er sie bekommt. Und es würde meine Stimmung aufhellen zu wissen, dass es nicht nötig ist.
    Simon sitzt sichtlich gelangweilt im Bett und starrt trüb aus dem Fenster. Meinen Gruß erwidert er kaum, wehrt sich aber auch nicht, als ich mir seinen Arm schnappe, um den Verband zu öffnen und nach dem Schnitt zu sehen. Er klafft immer noch auseinander, nässt aber nur leicht. Hätte ich meinen Geruchssinn behalten, könnte ich daran schnuppern, um zu überprüfen, ob die Wunde unterschwellig eitert. Doch obwohl ich heute Nacht Falks Duft wahrnehmen konnte, weiß ich genau, dass meine Nase zu derlei Feinheiten noch nicht wieder fähig ist. Die Haut um den Schnitt herum fühlt sich etwas wärmer an als Simons restliche Hand, aber nicht heiß, und Fieber hat er auch keines.
    »Habt ihr eigentlich schon darüber gesprochen?«
    »Worüber?«, frage ich irritiert. Meint er etwa sein uneheliches Kind?
    »Na, die Botschaft an der Wand.«
    »Was gibt es darüber zu reden? Du hast sie weggewischt, ich dachte, das Thema sei damit erledigt. Und ich war es nicht, die sie geschrieben hat, falls du

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