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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Outing mir überlassen? Weil er es allein nicht kann? Nein, das ist nicht meine Aufgabe. Vor allem aber muss ich jetzt etwas anderes klären. Jules ist im Moment zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich zu fragen, wer die Botschaften geschrieben und mir die Haare abgeschnitten hat. Aber Falk dürfte ansprechbar sein.
    Meine Muskeln sind verhärtet und schmerzen vor Kälte, als ich Jules allein lasse und zurück zum Anbau stapfe. Falk hackt gerade Holz, als wäre dies ein ganz normaler Tag und als hätten wir noch eine schöne, sonnige Woche in den Bergen vor uns, doch das kleine schwarze Teufelchen in meinem Bauch macht sich immer stärker bemerkbar.
    »Wo ist Tobis Handy? War sein Handy auch verloren gegangen? Lag es bei den anderen hinter dem Müll? Ist es auch leer?«
    Falk lässt die Axt sinken und wischt sich schwer atmend Holzschnipsel von der Jacke. »Tobi? Er … Hat Jules geheult? War er es?«
    Ich schüttele ungeduldig den Kopf. »Nein, Jules war es nicht. Hundertprozentig. Kann ich dir jetzt nicht erklären, aber es ist so. Vertrau mir. War Tobias’ Handy nun dabei oder nicht? Hast du es je mit eigenen Augen gesehen?«
    »Weiß nicht. Es waren … stimmt, es waren nur unsere Handys. Seins war nicht dabei. Ich hatte gar nicht daran gedacht. Wen willst du denn anrufen?« Oh Falk. Klingelt es nicht langsam bei dir? »Also doch«, raunt er verärgert, als er kapiert, worauf ich hinauswill. »Ich hätte Luna glauben sollen. Sie mochte ihn von Anfang an nicht. Aber … Linna, er hat kein Motiv. Gar keines. Wir alle haben mehr Motive als er.«
    Ja, das schoss mir auch durch den Kopf, doch wir kennen Tobias nicht. Wer weiß, welche verqueren Gedanken in seinem Kopf herumgeistern. Er hat uns schön den unschuldigen Bubi vorgespielt und ich habe es ihm jedes Mal geglaubt, hatte sogar Mitleid mit ihm. Hat es Sinn, Maggie nach ihm auszufragen? Sie muss ihn am besten von uns kennen. Aber wem wird sie eher etwas erzählen, Falk oder mir? Nachdenklich sehe ich Falk an. Es wird besser sein, wenn er es tut. Ich werde ihn später darum bitten, erst muss ich etwas essen, mein Magen schmerzt schon beim Knurren.
    »Hast du was vor, Linna? Was denkst du gerade?«
    »Dass ich was in den Bauch kriegen muss. Umbringen wird sich heute übrigens keiner mehr, ich hab’s grad verhindert.«
    »Was? Jules? Aber …« Sobald ich Falks Blick nicht mehr entkommen kann, weil er meine Schultern umfasst und mich zu sich dreht, fange ich so heftig an zu schlottern, wie ich es vorhin bereits hätte tun müssen. Und ich komme mir auf einmal doch sehr ohnmächtig vor, als Falk mich auffängt und an seine Brust nimmt, seine Lippen dicht an meiner Schläfe. »Oh Gott, Linna«, flüstert er. »Du hast es gespürt.«
    »Keine Ahnung. Irgendwas hab ich wohl gespürt. Ich spüre ziemlich viel seit heute Nacht.« Ich klinge ungewohnt wehleidig, aber Falks Hand drückt fest auf die Beule, die an meinem Hinterkopf prangt, und ich fühle mich immer noch, als habe ich zehn Stunden auf einem Pferd gesessen. Nackt.
    »Wir waren gar nicht schlecht«, brummelt Falk in mein Haar, wie ich völlig weg vom Kernthema, aber es ist Musik in meinen Ohren. Bitte nicht mehr über Tote und Beinahetote sprechen. Ich brauche Leben. »Der Anfang fiel etwas holprig aus, aber …«
    »Ich weiß. Wir haben uns gesteigert. Wir haben Talent.«
    Oh, es tut gut, solchen Schwachsinn zu reden. Doch wir haben keine Zeit für eine Wiederauflage. Sie käme außerdem einer Schändung gleich; jetzt könnte ich wirklich nicht. Ich lasse mich ein paar Minuten lang von Falk festhalten, während wir stumm aneinander vorbei in den Schnee blicken, unseren Erinnerungen an letzte Nacht nachhängen und gleichzeitig versuchen, den Schock über Jules’ Ansinnen zu verdauen. Ich habe das Gefühl, dass auch Falk erleichtert ist, ihn nicht mehr im Visier haben zu müssen. Jules ist ein Opfer, kein Täter. Leider und zum Glück.
    In der Stube ist es kuschelig warm und ich finde niemand anderen vor. Sie liegen in ihren Betten und schlafen, wie Falk es gesagt hat, und nach einigen Minuten schleicht auch Jules wie ein unglückliches Gespenst an mir vorbei und zieht sich in sein Zimmer zurück. Es ist eine wahre Wohltat, sich allein an den Tisch setzen und eine trockene Scheibe des verhassten Pumpernickels mit Margarine und Honig bestreichen zu können. Das benutzte Geschirr in der Spüle verrät mir, dass die anderen schon gefrühstückt haben.
    Kann ich Jules denn allein lassen? Er hat nur

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