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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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liegen abgespreizt vor ihr, jeder einzelne Finger bandagiert, doch an den fransigen Rändern des Mullverbandes sehe ich, dass sie sich immer noch zu kratzen versucht oder mit den Fingern über die Bettkante reibt, um den Juckreiz zu stillen. Ihre Haare bauschen sich lockig wie früher um ihre Wangen und ihr Gesicht ist so blass, dass ich die Adern unter ihrer zarten Haut erkennen kann. Sie erinnert mich an ein Mädchen aus einem Rokoko-Gemälde, nur weniger glücklich und ohne ein Füllhorn mit Trauben und Obst in der Hand. Engel schwirren schon lange nicht mehr um ihr Haupt herum, doch sie sieht auf abgekämpfte Weise stolz aus. Sie hat gar keine Ahnung, wie hübsch sie dabei ist.
    »Ich will es nur wissen«, beginnt sie, bevor ich etwas sagen kann. »Sei ehrlich zu mir, Linna, wenigstens das. Ich habe heute Nacht etwas gehört. Geräusche.« Sie schlägt errötend ihre Wimpern nieder. Geräusche? Meint sie etwa … »Ich hab dich erkannt und … und … war es Jules? Hast du mit Jules geschlafen?«
    Oje. Sie hat uns gehört. Gelauscht hat sie nicht, sonst wüsste sie, dass die Geräusche aus Falks und nicht aus meinem Zimmer kamen. Vermutlich lag sie krank vor Angst und seelischen Schmerzen auf ihrem Bett, nicht fähig zu überprüfen, was sie befürchtete. Doch jetzt wirkt sie nicht ängstlich.
    »Maggie … ich …«
    »Sag es! Du machst doch immer einen auf mutig und unerschrocken, also steh dazu!«
    »Kennst du nicht einmal das Stöhnen deines Ehemanns?«
    »Bei mir …« Maggie bricht ab und dreht ihren Kopf weg, bevor sie sich fängt und mich wieder anschaut. Was wollte sie sagen – bei ihr stöhnt er nicht? Ich muss das Thema wechseln, schnell, das ist eine Blamage für uns beide. »Ich kann mit der Wahrheit leben, Linna. Schluss mit den Lügen, bitte.«
    »Aber das ist nicht die Wahrheit! Jules war es nicht. Ich will nichts von Jules und ich habe nichts mit Jules. Wie oft soll ich es noch sagen?«
    »Du kannst dich ruhig dazu bekennen, Linna, ich möchte endlich Gewissheit.«
    »Ich will nichts von ihm!« Gleich brülle ich wieder, aber langsam weiß ich nicht mehr, wie ich ihr das beibringen soll, ohne Jules zu outen. Und das macht man nicht, jemand anderen outen. Es ist sein Job, ich darf das nicht tun. Also weiter zum nächsten Thema. »Maggie, was ist mit Tobias?« Ich habe es fast schon aufgegeben, Maggie direkt nach etwas zu fragen, ohne dass sie es als Angriff auffasst, aber ich besitze nicht die nötige Nervenstärke, mir eine umständliche Überleitung auszudenken oder gar über Umwege zu fragen.
    »Ach, hast du mir hinterhergeschnüffelt?« Sie zieht die Bettdecke noch ein Stückchen höher, als könne ich ihr zu nahe kommen, strafft aber ihre Schultern und weicht meinem fragenden Blick nicht aus. »Mir egal. Ich hatte das gute Recht, so etwas zu tun. Und weißt du was? Es war schön und ich habe es genossen!«
    Einen Moment lang starre ich sie verständnislos an. Habe ich richtig gehört? Maggie und Tobi und …?
    »Na los, geh schon und erzähl es Jules, mach, Linna! Dann habt ihr erst recht einen Grund, euch zu verbünden! Worauf wartest du noch?«
    »Ich … äh …« Verwirrt streiche ich mir über die Stirn. »Du und Tobi, ihr … Nein, oder? Doch? Ehrlich?« Maggie, du stilles, tiefes Wasser, denke ich beinahe anerkennend. Daran hätte ich in hundert Jahren nicht gedacht. »Du hast eine Affäre mit ihm? Mit Tobias?« Aber hatte ich das nicht schon im Scherz vermutet, ohne großartig darüber nachzusinnen? Auf alten Pferden lernt man reiten, habe ich gesagt, als sie ihn mir vorstellte, und sie warf mir vor, ordinär zu sein. Ich glaube zwar nicht, dass Tobias noch reiten lernen muss. Er wird sich nicht aufgespart haben wie wir damals. Aber im Kern war meine Vermutung richtig. Deshalb hat Maggie so betroffen darauf reagiert.
    »Affäre … das klingt billig.« Maggie zieht verächtlich die Mundwinkel nach unten. »Ich habe eine Nacht mit ihm verbracht und es war schön.«
    »Ich dachte, du liebst Jules«, wende ich matt ein.
    »Oh, macht es dir keinen Spaß, ihn mir auszuspannen, wenn ich das nicht tue?« Maggies Würde gerät ins Wanken. Ich kann sehen, wie ihre Augen feucht werden. »Natürlich tue ich das, ich liebe ihn über alles, aber wie es aussieht, liebt er nicht mich, sondern dich.«
    »Nein, Maggie, da irrst du dich.«
    »Ja, tue ich das? Soll ich dir sagen, wie das bei uns aussieht, in unserer wundervollen Ehe?« Maggie steht vom Bett auf und wirft die Decke mit dramatischem

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