Linna singt
bin, das Leiden anderer Menschen mitzutragen. King of Sorrow …
Ihm selbst blieb nur noch, sein Schlagzeug zu zertrümmern, da er wie ich das verlor, was er liebte. Einen Traum, keinen Menschen. Den Menschen konnten weder er noch ich je unser Eigen nennen und das wird uns auch in Zukunft nicht gelingen.
Nur die Botschaften erschließen sich nicht aus seinem Geständnis. Er sagt die Wahrheit: Sie stammen nicht von ihm. Trotzdem hängen meine Gedanken immer noch bei Falk und Jules’ Liebe zu ihm.
»Hast du gedacht, wenn ich in der Band bleibe, bleibt auch er?«
»Ich habe es gehofft. Ich hab doch gesehen, wir ihr euch angeschaut habt bei den Konzerten. Dass da etwas zwischen euch ist. Linna, du glaubst nicht, wie es mich zerstört hat, dich gleichzeitig zu hassen und zu verehren. Du hast ihn mir genommen, du hast ihn mir zurückgebracht, aber dann hast du ihn mir erneut genommen … ein zweites Mal …«
Ich habe ihm Falk genommen? Zwei Mal? Wann war das erste Mal? Meint er die Nacht mit den Sternschnuppen? Jules hat an der Tanke randaliert und am nächsten Morgen kaum ein Wort gesprochen – er muss uns gesehen haben! Er muss mitbekommen haben, dass Falk und ich küssend ins Schlafzimmer seiner Eltern verschwunden sind. Es hat ihn verrückt gemacht vor Eifersucht. Und trotzdem hat er mich als diejenige gesehen, die ihm Falk zurückbringen kann. Doch darin irrt er sich. Es war seine eigene Frau. Sie hat auf die Wiederbelebung der Band gepocht und Jules glaubt, dass Falk nur meinetwegen dazugekommen ist. Ich selbst kann mir das leider nicht mehr einreden. Ich weiß inzwischen, dass es anders war, obwohl ich möglicherweise doch eine klitzekleine Rolle bei Falks Entscheidung gespielt habe.
»Aber warum dann Maggie? Warum, Jules? Musstest du sie denn gleich heiraten?«
»Es war doch alles kaputt. Alles. Nur sie war noch da. Kam jeden Tag zu mir, unter irgendeinem Vorwand, sie war so glücklich, wenn ich sie nur in meine Nähe ließ. Sie liebt mich, Linna! Sie liebt mich aufrichtig und so sehr, dass ich dachte … Ich dachte, es muss so sein. Fügung. Dass wir füreinander bestimmt sind und schon alles gut wird, wenn ich mich zusammenreiße und mir eingestehe, dass Falk ein pubertärer Ausrutscher war und dass ich wieder … wieder normal werde, wenn ich erst einmal richtig mit einer Frau zusammen bin. Ich hatte es bisher ja nicht versucht, ich habe immer kurz vorher gekniffen.«
Oh ja, das hast du. Du hast gekniffen, während Simon sich seine Jugend zerstört hat. Was waren wir damals eigentlich, der heimliche Club der ewigen Jungfrauen? Denn seit heute Nacht glaube ich, dass auch Falk noch jungfräulich war, als er ausgewandert ist. So bestimmend und selbstsicher er sich bei unseren Liebesakten gab, so zögerlich und zurückhaltend ist er mir damals begegnet. Maggie war sowieso noch jenseits von Gut und Böse. Von Simon weiß ich es sogar. Eigentlich ist das zum Schießen. Wir machten zusammen Musik, in einer echten Rockband, erzählten in unseren Songs inbrünstig von Leidenschaft und Sex und verbreiteten flirrende Erotik, doch niemand von uns wusste wahrhaftig etwas davon. Trotzdem nahm man uns jedes Wort ab. Denn den Schmerz der Liebe kannte jeder von uns.
»Maggie ist todunglücklich«, rede ich eindringlich weiter, nachdem ich Jules und mir eine kurze Verschnaufpause in all den dunklen Wirren unserer Vergangenheit gegönnt habe. »Du tust ihr keinen Gefallen, wenn du bei ihr bleibst und sie weiter anlügst. Auch den anderen Menschen tust du damit keinen Gefallen und dir selbst erst recht nicht. Jules, das hältst du nicht durch! Wir sind zu jung für solche Lebenslügen, das schaffst du nicht, es wird dich krank machen!« Ich möchte ihn packen und schütteln, um ihn das begreifen zu lassen, aber ich sehe ihm an, dass er immer noch nicht von mir berührt werden möchte.
»Doch, ich tue ihnen einen Gefallen, den größten, den es für sie geben kann. Ich bin das einzige Kind, nur ich kann ihnen eine Enkeltochter schenken, nur ich kann es wiedergutmachen, zusammen mit Maggie! Ich kann ihnen ein Kind schenken, ich muss das tun, Linna, verstehst du das nicht? Sie waren so glücklich, dass ich heirate, und dann noch jemanden wie Maggie, aus gutem Hause, höflich und anständig, und Maggie sagte sofort, dass sie später eine Familie haben will und am liebsten ein kleines Mädchen …«
Wie Mina. Er will ihnen Mina zurückbringen. Oh Gott, Jules …
»Deine Eltern haben schon ein Kind«, sage ich vorsichtig
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