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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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aufrichtig interessieren oder ob ich nur ein Zeitvertreib bin.
    »Warum warst du mit zwanzig noch Jungfrau?«
    »Weil ich überzeugt war, dass mit dem Sex der ganze Ärger erst anfängt«, erwidere ich bissig. »Und weil ich bei keinem meiner Verehrer das Gefühl hatte, dass er in der Lage gewesen wäre, es ohne Peinlichkeiten über die Bühne zu bringen; Einen Freund hatte ich nicht, ich hätte nur einen meiner Verehrer nehmen können. Und das war mir zu billig.«
    Nun muss Falk grinsen, ein ehrliches, offenes Grinsen, bei dem ich mir kaum vorstellen kann, dass es von taktischen Hintergedanken begleitet ist. »Du hattest die freie Wahl …«
    »Ja, hatte ich.« Ich schüttele den Kopf, als ich mich daran erinnere, an das erste Mal. Wir haben uns beide nicht mit Ruhm bekleckert, aber immerhin habe ich ihm vertraut. »Irgendwann hab ich ja auch gewählt.«
    »Und wer war es? Wer war Nummer eins?«
    »Spielt keine Rolle, du neugieriges Stück Aas.« Ich kann nicht glauben, was er mich hier alles fragt. Ich könnte es glauben, wenn er sich erinnern würde. Ja, dann wären diese Fragen von Bedeutung.
    »Komm, sag schon, Linna. Kenne ich ihn?«
    »Vielleicht.« Ich zucke gleichmütig mit den Schultern. »Spielt aber immer noch keine Rolle. Genauso wie Nummer zwei, drei, vier und fünf. Eine Belanglosigkeit nach der anderen.« Nur du, du warst nicht belanglos. Und mit dir habe ich nicht geschlafen.
    »Macht es dir gar keinen Spaß?«
    »Wenn es mir keinen Spaß machen würde, hätte ich es kaum wiederholt. Trotzdem, auch wenn ihr vom Gegenteil überzeugt seid: Ich bin kein Flittchen.«
    Falks Grinsen erlischt.
    »Ich weiß das, Linna.«
    Ich bin mir nicht sicher, ob er das weiß. Vielleicht redet er sich das auch nur ein, falls er in Erwägung zieht, dass die Nacht möglicherweise doch stattgefunden hat. Sosehr Männer die schnelle Nummer bevorzugen, so sehr legen sie doch Wert darauf, nicht mit Schlampen zu verkehren, und als solche bin ich gestern Abend erst beschimpft worden.
    »Es war okay, bei Nummer vier und fünf auch besser als okay, aber es … es ist nichts geblieben. Man tut es und denkt, wer weiß, wie es einen verbindet, während man sich nahe ist, aber es bleibt nichts außer dem Gefühl, sich duschen zu wollen, und dem dringenden Wunsch, möglichst schnell wieder allein zu sein.«
    Erneut fährt Falk sich mit dem Daumen über sein stoppeliges Kinn und schlägt die Lider nieder, als versuche er zu entscheiden, ob ich die Wahrheit sage oder mir Geschichten ausdenke. Seitdem ich erfahren habe, dass er sich nicht an unsere Nacht erinnert, habe ich es vermieden, ihn genauer anzusehen. Aber jetzt schaffe ich es nicht, meine Blicke abzuwenden, wie heute Morgen, als er mir sein Profil zugekehrt hat, obwohl ich weiß, dass es nur neue Schmerzen bedeutet. Er ist nicht mehr so unschuldig hübsch und niedlich wie früher, alles Kindliche ist vergangen, obwohl er noch keine Falten hat bis auf ein Paar feine Linien um seine tief liegenden Augen. Wahrscheinlich hat er oft ins Helle gesehen. In die Sonne. Seine dichten Brauen gehen fast ineinander über, er hat den typischen Wolfsblick, immer noch, nur markanter und erwachsener – und trotzdem wirkt er auf mich nicht, als würde er sich einer einzigen Erwachsenenregel unterwerfen. Das, was er täglich tut, hat ihn zu diesem kräftigen, sonnengebräunten Kerl werden lassen, der vor mir auf dem Bett sitzt; ich kann ihn mir weder in einem Büro am Schreibtisch vorstellen noch in einem Vorlesungssaal. Er hat schon damals den Stift gehalten, als sei er ein Fremdkörper, und seine Schrift war immer krakelig. Von der Schule abzugehen, muss eine Erlösung für ihn gewesen sein. Bestimmt hat er nur seinen Eltern zuliebe so lange durchgehalten. Aber was tut er jetzt? Was hat ihn so sicher und frei und stark werden lassen? Ich schaffe es nicht, meinen Blick von ihm zu lösen, als er seine Lider wieder hebt und mich ansieht, für eine Sekunde schaue ich direkt in seine lichtdurchfluteten, fernen Augen und mein Herz erzittert in meiner Brust, so brutal hämmert es das Blut durch meine Adern. Es erinnert sich an ihn … Es vergisst nichts. Sofort reiße ich mich von ihm los und starre neben ihm auf die Wand, bis mein Puls ruhiger wird und der hitzige Schmerz in meiner Brust abkühlt.
    »Hattest du nie einen Freund?«
    »Ob ich je einen hatte oder ob ich jetzt einen habe?«, vergewissere ich mich, auch wenn es keinen Unterschied macht, es kommt aufs Gleiche raus.
    »Beides.«
    »Nein.

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