Linna singt
eingebildet?
Japsend hole ich Luft und atme gegen das flaue Gefühl in meinem Magen an. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob es einen Schlüssel zu meiner Tür gab oder nicht. Unsere Ankunft habe ich nur noch verschwommen im Kopf, erinnere mich bruchstückhaft an Lunas getriebenes Schnüffeln und dieses kaum zu ertragende Gefühl, in einer Falle zu sitzen. Viel geändert hat sich daran nicht; die Probleme sind nur komplizierter und vielschichtiger geworden.
Ich presse meine Finger gegen die kalte Wand, um Halt zu finden und mich zu beruhigen. Doch es nützt nichts. Mein Atem keucht so laut durch meine Brust, dass ich den Wunsch verspüre, vor mir selbst davonzulaufen. Und ich dachte, ich sei in meinem Zimmer sicher? Könne mich ausruhen und entspannen? Nein, es ist sogar noch schlimmer als vorhin in der Stube, als Falks Gegenwart und die Blicke der anderen mich ablenkten und beschäftigten. Nun scheinen meine Gedanken in meinem Kopf wild durcheinanderzubrüllen, einer greller und warnender als der andere. Hör nicht hin, Linna, nicht … Aber es ist schon zu spät. Plötzlich ergreift die Panik von heute Morgen wieder mit aller Macht von mir Besitz.
Fahrig ziehe ich meinen Rucksack in die Mitte des Zimmers und beginne ihn zu packen, dieses Mal werde ich es geschickter angehen … Auf den Knien hebe ich meine Klamotten an, schüttele sie aus und lege sie zusammen, um sie in den Rucksack zu stopfen, obwohl mein Kopf längst weiß, dass auch diese Flucht sinnlos ist. Ich werde es nicht bis nach unten schaffen, und selbst wenn, wie komme ich nach Hause?
Auf einmal kann ich mich nicht mehr beherrschen, ich halte dieses angespannte, gestresste Gefühl in mir nicht länger aus. Mit beiden Fäusten dresche ich auf meine Matratze ein, als wäre sie mein Punchingball, immer fester und wütender, bis sich eine tiefe Kuhle im Bett bildet und mein Atem nur noch stoßweise geht, aber ich kann nicht aufhören und ich will es auch nicht; lieber schlage ich mein Zimmer kurz und klein, bevor ich mich wieder meiner Panik unterwerfe. Sie soll mich nicht kriegen.
»Linna?«
Sofort halte ich inne. Hört man da draußen, was ich hier tue? Und war das Falk? Das war Falk, oder? Hektisch werfe ich meine Decke über die Kuhle in der Matratze.
»Ja?«, frage ich betont müde zurück und streiche das Plumeau glatt.
»Hey.« Schon streckt er seinen Kopf durch die Tür, bleibt aber draußen im Flur stehen, prüfend und abwartend, während Luna sich zwischen seinen Beinen hindurchdrückt und schwanzwedelnd durch mein Zimmer wuselt.
Falks Blick bleibt an dem Bild des Toreros hängen, das unter meinem Kissen hervorgerutscht ist. Wird er jetzt auch seinen Senf dazu abgeben? Nein, er sagt nichts, er fixiert es nur, fasziniert und finster zugleich, eine Gefühlslage in dem hellen Graublau seiner Augen, die ich nicht einschätzen kann, die mich aber erschauern lässt. Luna macht indessen Anstalten, an mir hochzuspringen. Mein sonores »Aus« scheint sie nur zusätzlich anzuspornen.
»Könntest du vielleicht … Falk! Raus mit dem Hund, bitte!«
Das war die höflichste Variante, die ich zu bieten habe, doch wenn Luna jetzt meint, sie müsse auf mein Bett springen, vergesse ich mich. Meine Fäuste glühen, ich stehe kurz vor einem Blutrausch. Mir sollte jetzt niemand zu nahe kommen. Sicherheitshalber verschränke ich die Arme vor der Brust und sehe Falk fest an. Endlich löst er den Blick von dem Foto und pfeift Luna zu sich, die widerwillig von mir ablässt und sich zu seinen Füßen kauert. Aber er sagt nichts.
»Was ist denn los? Warum hast du geklopft?«
»Möchtest du nichts essen? Es sind noch Nudeln übrig.«
Nein, deshalb ist er nicht hier. Das kann nicht der einzige Grund sein. Außerdem bin ich erwachsen, ich kann selbst entscheiden, wann ich esse und wann nicht. Ich habe genug Mahlzeiten über mich ergehen lassen müssen, während derer ich systematisch fertiggemacht wurde. Ich lasse mich zu keinen Essenszeiten mehr zwingen.
Luna ist nach wie vor hingerissen von meinem Fußboden und vor allem von mir, schon robbt sie mir wieder auf dem platten Bauch entgegen. Ich muss wundervoll für sie riechen, sie drückt ihre Nase abwechselnd in meine Kniekehlen und in meinen Schritt, eine Angewohnheit, die jeder Hund irgendwann zeigt und deren Triebhaftigkeit auch die hartgesottensten Menschen in Verlegenheit bringt. Doch ich schiebe sie nur weg, ich habe andere Sorgen.
»Danke, nein, kein Appetit.« Wenn ich essen will, koche ich mir
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