Lions - Feuriger Instinkt
anstarren.
»Wofür war das jetzt?«
»Glaubst du, es geht nur um Geld? Denkst du das wirklich?«
»Frau …«
»Nenn mich nicht ›Frau‹! Dass du glaubst, ich sei so oberflächlich und charakterlos, dass es mir nur ums Geld geht, ist einfach primitiv !«
»Was willst du dann?«
Sie warf die Hände in die Luft. »Alles!« Sie machte einen Schritt von ihm weg. »Und solange du mir das nicht geben kannst, haben wir uns nichts weiter zu sagen.«
Ohne ein weiteres Wort oder einen Boxhieb ging sie um ihn herum und zurück ins Haus.
Er folgte ihr. »Jessie Ann …« Doch sie knallte ihm die Tür vor der Nase zu und ließ ihn draußen in der Kälte stehen.
Jess lehnte sich mit dem Rücken an die Tür und kämpfte mit den Tränen, die sie niemals zulassen würde. Er war keine verdammte Träne wert. Keine einzige.
Sie sah sich im Raum um, und sämtliche Hunde starrten sie an. Welpen und Erwachsene. Sie sah nur Mitgefühl und Wärme. Sie alle liebten sie, wie nur Hunde es konnten. Sie wussten, was sie wollte. Was sie von Bobby Ray Smith brauchte. Denn sie verstanden sie vollkommen. Auch wenn er es nicht tat.
Sabina kam zu ihr herüber und gab ihr eine Tüte dunkle Schokochips.
»Hier, meine Freundin.«
»Danke.«
»Willst du eine Umarmung?«
Jess nickte. Sie fühlte sich besonders jämmerlich, aber es war ihr egal. Sabina umarmte sie fest, und dann war ihre Meute zu einer riesigen Gruppenumarmung da, die die meisten Leute vermutlich in Angst und Schrecken versetzt hätte.
Ronnie zuckte zusammen, als die Eingangstür mit einem Knall aufflog, und sie blinzelte überrascht, als sie ausgerechnet Bobby Ray Smith brüllen hörte: »Sie treibt mich in den Wahnsinn!«
Er riss sich die Jacke vom Leib, warf sie durch den Raum und stürmte in die Küche. Ronnie krabbelte über Shaw und die Sofalehne hinweg und kam in die Küche, als Smitty sich gerade eine Flasche Tequila aus einem der Schränke nahm.
»O nein, das tust du nicht!« Sie umklammerte den Flaschenhals und zog daran. Er zog zurück. »Bobby Ray, du gibst mir jetzt sofort diese Flasche!«
Bobby Ray knurrte sie an – er hatte sie noch nie angeknurrt – und riss mit einer Hand an der Flasche, während er sie mit der anderen wegschob. Ronnie stolperte rückwärts und sah zu, wie er den Deckel abschraubte. Er hatte die Flasche fast an den Lippen, als seine Schwester hinter ihm auftauchte, ihm kräftig auf den Fuß trat und ihm, als er vor Schmerzen nach Luft schnappte, die Flasche aus der Hand riss.
»Was ist passiert?«, fragte sie, während sie ans andere Ende der Küche ging.
»Geht dich einen Scheiß an.« Er stürmte auf sie los. »Und jetzt gib mir …«
Sissy Mae hielt die Flasche hoch und zielte auf den Kopf ihres Bruders. »Versuch’s doch.«
Smitty starrte seine Schwester an; wahrscheinlich überlegte er, ob sie ihn wirklich damit schlagen würde. Er musste wissen, dass sie es tun würde.
»Ich bin hier weg.«
Sie sahen ihm nach, während er zur Hintertür hinausstürmte, sich auszog, sich verwandelte und in den Wald hinter Shaws Haus rannte.
Ronnie stieß hörbar die Luft aus und sah ihre Freundin an.
»Was denn?«, fragte Sissy. »Glaubst du, ich würde den ganzen guten Tequila an diesen Holzkopf verschwenden?«
»Ich hatte schon echte Bedenken.«
Der Rest des Tages verging langsam und ereignislos. Jess blieb die meiste Zeit mit May in der Küche und gab vor, ihr beim Kuchenbacken für Johnnys Geburtstag am nächsten Tag zu helfen; doch da sie nichts außer Schokokekse backen konnte, blieb sie eigentlich, weil sie hier ungestört war. May sagte wenig, und Jess saß in einer Ecke und las zum ungefähr neunmillionsten Mal Tolkiens Die zwei Türme .
Doch nicht einmal J.R.R. konnte sie von den Gedanken an Smitty ablenken. Es war vorhin nicht leicht gewesen, einfach zu gehen. Doch sie wusste, dass es sein musste. Wusste, dass sie gehen musste, ohne einen Blick zurückzuwerfen, wenn sie ihn ganz haben wollte. Der Mann, der an diesem Nachmittag zu ihr gekommen war, hätte genauso gut ein Vollmensch sein können, so viel Leidenschaft hatte er gezeigt. Ein Beta mit extrem niedrigen Erwartungen an seine Gefährtin.
Sobald er ihre Hand genommen hatte, hatte sie ihr gemeinsames Leben vor ihrem inneren Auge gesehen. Hübsch ruhig und einfach, mit ungefähr so viel Leidenschaft und Liebe, wie man sie von einem Vibrator bekommen konnte. Sie war lieber allein, als so zu leben. Sie hatte ihre Eltern nur vierzehn Jahre lang gekannt, aber sie war
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