Lions - Leichte Beute (German Edition)
nie nach Smithtown schleppen!« Sie umfasste sein Gesicht mit einer Hand, legte ihre langen Finger auf beide Seiten seines Gesichtes und drückte zu, bis sich seine Lippen vorwölbten. Seine Mutter tat öfter dasselbe. War das ein mütterlicher Instinkt wie das Stillen? »Dieses Gesicht ist wirklich zu hübsch, um es einfach so ruinieren zu lassen.«
Mitch lachte, und sie tätschelte seine Wange und ging.
Als er Sissy ansah, starrte sie ihn wütend an, als habe er sie irgendwie betrogen. »Was denn?«
Wie machte sie das nur? Sissy war einunddreißig, und ihre Momma schaffte es immer noch, dass sie sich fühlte wie eine Zwölfjährige. Die ganze Hochzeitsplanung hatte irgendwie Spaß gemacht, bis ihre Mutter für die letzten Vorbereitungen praktisch nach New York gezogen war. Einen Monat lang hatte sie diese Frau nun schon täglich ertragen müssen. Und jeden Tag hatte Bobby Ray sie davon abbringen müssen, das erstbeste Flugzeug nach Japan oder Australien oder in irgendein Land zu nehmen, in dem ihre Momma nicht war – und das Sissy die legale Einreise erlaubte.
Es war nicht so, dass sie ihre Momma nicht liebte. Das tat sie schon. Aber musste sie Sissy unbedingt so kleinmachen? Und musste sie es vor Mitch tun? Natürlich war so etwas vor jedem Mann gemein, aber vor Mitch war es Sissys Meinung nach besonders fies.
»Also gut, Shaw.« Während sie versuchte, ihre Gedanken von Mitch abzulenken, deutete Sissy auf die Menge von über dreihundert Leuten auf der Hochzeit ihres Bruders. »Ich bin auf der Jagd nach meiner nächsten Eroberung. Siehst du jemanden mit Potenzial?«
»Klar.« Mitch sah sich um und deutete auf eine Gepardin auf der anderen Seite des Raums. »Was ist mit ihr?«
»Was stimmt eigentlich nicht mit dir?«
»Red nicht in diesem Ton mit mir! Hast du es überhaupt jemals versucht?«
»Mitchell …«
»Woher willst du wissen, ob es dir gefällt oder nicht, wenn du es nie versucht hast … während ich zusehe … und filme?«
»Vergiss, dass ich gefragt habe.«
Sissy fuhr mit dem Finger über seine Tätowierung. Ein zehn Zentimeter großes Kleeblatt. »Könntest du noch irischer sein?«, lachte sie.
»Eigentlich nicht.« Er nahm ihre Hand. »Komm. Wir tanzen.«
»Zu den Go-go’s ?« Sissy hatte es erfolgreich auf nur zwei Tänze gebracht, und beide waren langsame Songs gewesen. Nicht dass sie nicht tanzen konnte, aber komm schon! Die Go-go’s ? Hatten diese Wildhunde keine Musik aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert? Oder zumindest aus den Neunzigern?
»Wir rocken ab.« Er zerrte sie auf die Tanzfläche und hielt unterwegs kurz an, damit sie den Tequila hinunterkippen konnte, den der Kellner brachte.
Auf der Tanzfläche sah sie entsetzt zu, wie Mitch etwas tat, das manche Leute – niemand, den sie kannte, natürlich – tanzen nennen würden.
»Mitchell«, jammerte sie, »das ist einfach nur peinlich!«
Mitch hielt inne und sah sich all die tanzenden Windhunde an. Selbst die Braut tanzte Pogo, als sei sie auf einem Abschlussball im Jahre 1985.
»Im Vergleich zu was?«
Tragischerweise hatte er recht.
Mitch trat hinter seinen Bruder und hieb ihm auf den Rücken. Das Gute an Brendon war, dass Mitch sich nicht zurückhalten musste. Sein Bruder flog von einem kleinen Schlag nicht gleich durch den Raum oder zerbrach wie ein dürrer Ast. Stattdessen rührte Bren sich nicht von der Stelle, schaute Mitch über die Schulter an und fragte: »Was?«
»Amüsierst du dich?«
Vom Balkon über der Tanzfläche aus schaute Bren mit seinem typischen eindringlichen Blick nach unten. Er sah immer aus, als lasteten alle Probleme der Welt auf seinen Schultern. Schließlich antwortete er: »Ja, tue ich.« Zwanzig Minuten, um eine einfache Frage zu beantworten …
Mitch lehnte sich rückwärts ans Geländer. »Und du und Gwen kommt gut miteinander aus?«, fragte er.
»Natürlich. Du weißt, ich liebe Gwenie.«
»Und Marissa …«
»Braucht ein bisschen länger, bis sie mit den Leuten warm wird«, erklärte Brendon seine Zwillingsschwester.
»Gwen überlegt, ob sie in ein paar Monaten zu Besuch hier rauskommt. Vielleicht könnte sie …«
»Sie wird im Hotel wohnen.«
Mitch wollte etwas sagen, aber Bren unterbrach ihn und knurrte ihn praktisch an: »Und wenn du nur ein Wort darüber verlierst, für das Zimmer bezahlen zu wollen, werfe ich dich vom Balkon!«
Mitch schaute über das Geländer und schätzte die Höhe ab. Es hätte ihn nicht umgebracht, aber es hätte schmerzhaft werden können, also
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