Lions - Leichte Beute (German Edition)
Wut über sie hinwegspülte. Wenn diese Löwin sie nicht weggezogen hätte, hätte Sissy ihr Versprechen gegenüber ihrem Vater gebrochen – und wäre wahrscheinlich über Nacht im Gefängnis gelandet –, und das hätte sie sich nie verziehen.
»Entspann dich. Atme einfach. Hier«, eine feste Hand an ihrem Rücken drückte sie nach vorn, bis ihr Kopf unterhalb ihrer Knie war. »Atmen, Kleine. Einfach atmen. Tief ein- und ausatmen, bis das Klingeln aufhört.«
Woher wusste sie, dass sie ein Klingeln in den Ohren hatte? Denn da war definitiv ein Klingeln.
Nach gut zehn Minuten fühlte sich Sissy endlich stark genug, sich wieder aufzusetzen. Die Löwin setzte sich neben sie, rauchte eine Marlboro Light, und jetzt konnte Sissy sie erst richtig sehen.
»Miss O’Neill?« Mitchs Mutter. Sissy hatte ihr bisher nur kurz Hallo sagen können, als sie im Spielezimmer an ihr vorbeigegangen war. Die Löwin hatte gerade ein paar Wölfe ausgenommen, und Sissy hatte sie ihrer Arbeit überlassen.
»Oh, Schätzchen, nenn mich Roxanne. Oder Roxy. Das ist allerdings nicht mein richtiger Name. Ein nettes irisches Mädchen bekommt einen netten irischen Namen. Aber weißt du, wie viele beschissene Patricia Maries es jeden Sonntag in der Messe gibt? Also habe ich mit neun beschlossen, dass ich Roxanne genannt werden will.« Sie grinste, und in diesem Moment sah sie genauso aus wie ihr Sohn. »Eine meiner Tanten war eine große Leserin, und als ich beim Sonntagsessen verkündete, dass ich jetzt Roxanne heiße, fragte sie mich, ob das an diesem Buch läge, Cyrano irgendwas. Und ich sagte ihr – und dem Priester, der zum Essen bei uns war –, dass ich den Namen von der Prostituierten hätte, die an der Ecke in der Nähe der Eisdiele arbeitete, in der meine Schwestern und ich immer nach der Schule herumhingen.«
Sissy brach in Lachen aus, während Roxy den Kopf schüttelte. »Ich sage dir, Kleine, in jener Nacht habe ich nicht auf dem Rücken geschlafen. Meine Ma hat mir den Arsch aufgerissen.« Sie zuckte die Achseln. »Aber alle nennen mich immer noch Roxy.«
Sie griff in ihre kleine Gucci-Handtasche und zog eine halbvolle Schachtel Zigaretten heraus. »Hier.«
Sissy schüttelte den Kopf. »Ich habe aufgehört.« Vor ungefähr zwölf Jahren, um genau zu sein.
»Willst du den Rest der Nacht überstehen, ohne deine Mutter umzubringen?«
Sissy wurde klar, dass sie recht hatte, also nahm sie eine Zigarette aus der Schachtel und ließ sie sich von Roxy mit ihrem goldenen Feuerzeug anzünden.
Während Sissy sich zurücklehnte und ihre Zigarette rauchte, sah sie sich Mitchs Mutter genauer an. Wie alle Löwinnen war sie irgendwie von oben bis unten golden. Aber ihre Haare hatten hellere blonde Strähnen und waren frisch gekämmt, sodass sie aussahen wie eine sexy wilde Mähne. Sie trug ein enges, goldenes Kleid, das vielleicht ein paar Jahre zu jung für sie war, und goldene Designerschuhe, die vermutlich ein Vermögen gekostet hatten. Auch wenn Sissy nicht viel davon verstand, weil sie eher der Stiefel-Typ war. Arbeitsstiefel, Cowboystiefel, Bikerstiefel, alles. Wenn es Stiefel waren, trug Sissy sie.
Mitchs Momma war schön, aber sie hatte eine Wildheit an sich, die Sissy sofort sympathisch fand. Nichts von diesem hochnäsigen Löwinnen-Mist, den sie von den Llewellyns und den anderen Ostküstenrudeln, die auf der Hochzeit vertreten waren, kannte. Diese Frau war ohne Klasse und Geschmack, und Sissy wusste auf der Stelle, dass sie sie großartig fand.
»Ich muss sagen, Kleine, mein Junge redet die ganze Zeit von dir. Aber was er sagt, ist wirklich seltsam.« Sie drehte sich ein wenig und sah Sissy an. »Hat er dir neulich wirklich die Unterhose hochgezogen?«
Sissy lachte in Erinnerung an ihre Rauferei während des Probedinners. Sie hatte gedacht, ihre Momma würde gleich einen Schlaganfall bekommen, so peinlich war es ihr gewesen. »Äh … ja. Aber ich hatte es irgendwie verdient.«
»Also, du und mein Junge … äh …« Sie wackelte mit ihren perfekt gewachsten Augenbrauen, und Sissy lachte noch mehr.
»Gott, nein!«
Jetzt sah die Löwin beleidigt aus. »Warum zum Henker nicht? Ist mein Sohn nicht gut genug für dich?«
»Miss O’Neill …«
»Roxy.«
»Roxy, glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass es wenige Smiths gibt, die behaupten können, irgendwer sei nicht gut genug für sie. Aber wir sind Kumpels. Freunde.«
»Ich will dir mal was sagen, Kleine. Mein Mitchy …«
Mitchy?
»… ich liebe ihn mehr, als
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