Lippels Traum (German Edition)
ein König, der unter den Herrschern einer der mächtigsten war, mit vielen Soldaten, einer großen Schar von Wächtern, von hohem Ruhm und von viel Gut und Geld. Aber er hatte schon manches Jahr seines Lebens verbracht, ohne dass ihm ein Sohn beschieden war. Und da …«
Und da ging die Tür auf und Frau Jakob kam herein!
Blitzschnell steckte Lippel das Buch in seine Büchertasche. Aber sie hatte es gesehen.
Sie stützte die Hände in die Hüften, nickte ein paarmal (so, als wolle sie damit ausdrücken: Ganz so habe ich mir das vorgestellt!) und sagte: »So also wird mein Vertrauen belohnt.« Dann streckte sie die Hand aus und sagte knapp: »Das Buch!«
Lippel gab es ihr zögernd.
»Heute wirst du keine Zeile mehr lesen. Darauf kannst du dich verlassen«, sagte sie grimmig und klemmte sich das Buch unter den Arm.
»Auch nicht heute Abend? Wenn ich mit den Hausaufgaben fertig bin?«, fragte Lippel.
»Auch nicht heute Abend!«, sagte Frau Jakob bestimmt und schritt aus dem Zimmer.
Das entdeckte Versteck
Zum Abendessen gab es belegte Brote.
Lippel aß vier, zwei mit Kräuterquark, zwei mit Mettwurst, um seinen guten Willen zu beweisen und Frau Jakob gnädig zu stimmen. (Sonst aß er höchstens zwei.)
Frau Jakob schien auch mit ihm zufrieden zu sein.
»Vielleicht werden wir zwei doch miteinander auskommen. Auch wenn es heute Nachmittag nicht danach ausgesehen hat«, sagte sie zufrieden, während Lippel bereitwillig das Geschirr abtrocknete. »Heute Abend scheint es dir ja geschmeckt zu haben. Nichts zu süß und nichts zu salzig.«
»Ja, ja«, versicherte Lippel. Und weil er meinte, dass die Gelegenheit günstig sei, fragte er: »Darf ich vielleicht doch ein bisschen lesen? Nur eine halbe Stunde.«
»Ach, deshalb bist du so hilfsbereit!«, sagte Frau Jakob und lachte. »Nein, nein. Gelesen wird nicht. Was ich sage, das gilt auch. Morgen, wenn du deine Hausaufgaben gemacht hast, darfst du lesen.«
»Muss ich denn schon ins Bett?«, fragte Lippel. »Es ist doch erst sieben.«
»Du kannst ja noch ein wenig fernsehen. Und um acht gehst du dann ins Bett«, sagte Frau Jakob.
Gemeinsam schauten sie sich im Wohnzimmer das Vorabendprogramm an. In der Reihe »Unser Land« wurde »Der Wendelstein« gezeigt. Frau Jakob war begeistert. Lippel ganz und gar nicht. Er hatte nichts gegen Berge, aber er kletterte lieber darauf herum als sie im Fernsehen zu betrachten.
Gelangweilt sah er sich im Zimmer um. Und plötzlich entdeckte er, wo Frau Jakob sein Buch versteckt hatte: Es lag oben auf dem Wohnzimmerschrank!
Nun war seine Langeweile verflogen und er überlegte angestrengt, wie er an das Buch herankommen könnte. Er musste Frau Jakob aus dem Zimmer locken. Aber wie?!
Während er noch überlegte, löste sich das Problem von selbst.
»Habt ihr eigentlich keine Erdnüsse oder Salzstangen oder so was?«, fragte Frau Jakob und stand auf.
»Doch, im Küchenschrank. Rechts oben«, sagte Lippel schnell und wartete mit angehaltenem Atem, ob sie ihn nun in die Küche schicken oder selbst gehen würde. Sie ging selbst. Kaum war sie aus dem Zimmer, huschte er auf Zehenspitzen zum Schrank, holte das Buch herunter und schob es unter seinen Pullover.
Als Frau Jakob zurückkam, saß er wieder im Sessel, äußerlich ruhig. Aber sein Herz klopfte so aufgeregt, dass er fürchtete, sie könnte etwas merken. Doch sie merkte nichts. Lippel blieb aus Vorsicht bis acht Uhr sitzen und protestierte auch ein bisschen, als er dann ins Bett geschickt wurde. Er durfte ja keinen Verdacht erregen und Kinder, die freiwillig ins Bett gehen, machen sich verdächtig.
Frau Jakob sagte streng: »Keine Widerrede mehr! Du gehst jetzt ins Badezimmer und dann ins Bett! Ich schaue in einer Viertelstunde nach, ob du wirklich im Bett liegst.«
So ging Lippel schließlich langsam und scheinbar widerwillig nach oben, obwohl er am liebsten die Treppen hochgestürmt wäre.
Und als Frau Jakob eine Viertelstunde später nachschaute, lag Lippel gewaschen und mit geputzten Zähnen in seinem Bett und sagte schläfrig: »Gute Nacht, Frau Jakob.«
»Gute Nacht. Bis morgen früh!«, sagte Frau Jakob, knipste das Licht aus und machte leise seine Tür zu.
Lippel wartete etwa eine Viertelstunde. Dann stieg er aus dem Bett, holte das Buch unter dem Kopfkissen hervor, wo er es versteckt hatte, ging barfuß zur Tür, öffnete sie, schlüpfte hinaus, schloss die Tür hinter sich und schlich zum Verschlag hinüber.
Nachdem er die Tür seines Verstecks leise zugezogen
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