Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
Vom Netzwerk:
Studienzeiten mit trockenem Sherry zugeprostet, um uns dann, während wir über die Schwankungen an der Börse oder über neues italienisches Design palaverten, zu Tisch zu setzen. Ich war plötzlich wütend, wütend auf den Lebenstil meiner Freunde und auf mich selbst, weil ich doch ein Teil von ihnen war und das Spiel mitspielte.
    Es klingelte. »Jan und seine Frau Katharina«, sagte Micha. »Wir haben zusammen studiert.«
    Wie grauenvoll, dachte ich. Noch so ein BWLer, und dann betrat plötzlich der Mann aus der U-Bahn den Raum, an seiner Seite eine kleine, grazile und außergewöhnlich hübsche Frau. Ich geriet in Panik. Als hätte ich mit ihm letzte Nacht Sex im Auto gehabt. Ich schluckte ein paarmal, zwang mich zur Ruhe. Es gab nicht den geringsten Grund, Amok zu laufen. Vielleicht erinnerte er sich nicht mal mehr an mich …
    Die beiden fingen jetzt auch mit einer formvollendeten Shakehands-Runde an, während die Innenflächen meiner Hände von einer Sekunde zur nächsten schweißnaß wurden. Kalter Schweiß. Eins der ekelhaftesten Dinge, die man sich vorstellen kann.
    Es kam nicht dazu, daß er in meiner feuchten Hand ausrutschte. Ich stand da wie damals beim Sportunterricht, wenn mich niemand in seiner Mannschaft haben wollte – zu groß, zu plump, der unbewegliche Bauerntrampel vom Dienst. Dabei war ich jetzt eigentlich ganz froh darüber, es wäre ein denkbar ungünstiger Einstieg gewesen. Mittlerweile stand besagter Jan mit seiner Frau bei Jochen und Annette, ich sah ihn wild mit den Händen gestikulieren, während Annette und Jochen, jeweils ein Bein eingeknickt, zu ihm aufsahen.
    Wenn man es genau nahm, war er kein wirklich schöner Mann, eher ein extremer Mann. Alles an ihm schien mir ein wenig übertrieben: seine Größe, sein Dünnsein, die Länge seiner Nase. Sein Mund wirkte gierig, ja maßlos, und seine sprechenden Hände schienen den ganzen Raum auszufüllen. Eigentlich konnte ich Männer nicht leiden, die es darauf anlegten, daß selbst die frisch hingestellten Blumen neben ihnen verblaßten. Ärgerlich kippte ich meinen Sherry in mich rein und ging zu Greta in die Küche, die gerade dabei war, die bereits fertigen Flußkrebsschwänze in den Ofen zu schieben.
    »Wer ist dieser Jan?« fragte ich leise.
    »Micha kennt ihn schon seit einem halben Jahrhundert.« Greta wusch sich jetzt ausgiebig ihre Hände und sah mich dabei grinsend an.
    »Und warum kenne ich ihn nicht?«
    »Sag bloß, er gefällt dir.«
    »Ach was!« Ich sagte das so heftig, daß Greta eher das Gegenteil annehmen mußte.
    »Ich glaube, seine Frau leidet ziemlich unter ihm.«
    »Inwiefern?«
    »Jede Woche eine andere Geliebte. Erzählt man sich so …«
    »Muß ja ein phantastischer Liebhaber sein«, sagte ich geringschätzig und ging zur Spüle, um mir ebenfalls die Hände zu waschen. Obwohl sie wieder trocken und warm geworden waren, hatte ich das dringende Bedürfnis, mich von einem undefinierbaren Schmutz zu befreien.
    »Könntest du den Gästen sagen, sie sollen sich schon mal setzen? Ich muß nur kurz den Salat anmachen.« Greta jonglierte bereits mit einer Flasche Balsamico.
    »Ja …«, kam es etwas zögerlich aus meinem Mund, was Greta jedoch nicht weiter zur Kenntnis nahm. In Wirklichkeit hätte ich es in der Tat vorgezogen, eine Runde mit Mäxchen im Babyzimmer zu spielen. Irgendwie fand ich es schade, daß der Mann mit den schönen Schuhen so schnell seine Aura verloren hatte. Nicht für ihn, er war mir egal, aber ich hatte für mich selbst gehofft, einfach mal wieder dieses Prickeln der ersten Aufgeregtheit erleben zu können. Leicht niedergeschlagen ging ich zurück ins Wohnzimmer, wo die Gäste, angeregt durch den Aperitif, lautstark durcheinanderplapperten.
    »Greta bittet zu Tisch«, sagte ich hölzern in die Menge, während ich mich gleichzeitig fragte, warum nicht Micha diese Aufgabe übernahm.
    Alles verstummte. Meine Stimme mußte wie eine detonierende Bombe geklungen haben. Ich unterstrich meine Aufforderung noch mit einer hilflosen Geste, dann bemerkte ich, wie er mich anstarrte. Seine Frau sagte gerade etwas zu Annette, während er mich ansah, ernst und mit fast entsetzt aufgerissenen Augen, als sei ich geradewegs aus einem Schlammloch oder so gekrochen. Es dauerte nur ein, zwei Sekunden, da hatte seine Frau ihren Satz beendet und zog Jan mit sich fort.
    Ich war fix und fertig, für den Rest des Abends erledigt. Aus,Ende! Hätte am liebsten meine Tasche genommen, wäre irgendwo noch in Ruhe einen Wein

Weitere Kostenlose Bücher