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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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würden. Zwar wußte ich, daß Greta unglücklich war, aber ich kannte diesen Menschenschlag, der in einem anderen Leben auch nicht glücklicher werden würde, nur zur Genüge.
    »Wie ernst meinst du das?«
    »Ziemlich ernst.«
    »Geht es von dir aus?«
    Sie nickte. »Ich kann es einfach nicht mehr ertragen, daß Micha die Dusche als eine Einrichtung für psychisch Kranke ansieht. Sich zu fetzen, ist ja in Ordnung …«, Greta sah wütend und entschlossen aus, »… aber neben einem zu liegen, der aus allen Löchern mieft, also, weißt du, irgendwann reicht es.«
    Merkwürdig, daß Greta ausgerechnet das Hygieneproblem anführte. Aber wahrscheinlich brauchte sie einfach einen Auslöser, sozusagen das Tüpfelchen auf dem i.
    »Und wie soll das finanziell gehen?«
    »Tja, das ist eben das Problem. Ich bin nichts, ich kann nichts, ich habe nichts.«
    Das war zwar eindeutig übertrieben – Greta hatte immerhin eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin und ein paar Semester Anglistik auf dem Buckel –, aber einfach würde es mit Sicherheit nicht werden.
    »Du bist Mutter, du kannst arbeiten, und du hast mich«, sagte ich in einem plötzlichen Anflug von Sentimentalität.
    »Danke.«
    Greta lehnte sich an mich, ich erdrückte Mäxchen fast mit dem Gewicht meines Armes, und dann bedauerten wir uns gegenseitig, weil wir es doch so wahnsinnig schwer im Leben hatten. Das tat manchmal verdammt gut: sich einfach hängenzulassen und zu jammern, was das Zeug hielt, zumal wir irgendwann unweigerlich an den Punkt kamen, wo wir genau das Gegenteil fanden: daß es uns geradezu bombastisch ging, weil es ja andere Menschen gab, die wirklich im Dreck herumkrebsten, und daß wir mit unserenkleinen Hoffnungen und Sehnsüchten die eigentlich Begünstigten unter der Sonne waren. Jawoll!
    Mit Tom lief alles wie immer. Routine ohne Herz – es war ja nicht anders zu erwarten gewesen. Die erste Fassung hatte ich nach zwei Überarbeitungen im Kasten, und ohne lange zu fackeln, steckte ich das Meisterwerk in einen großen Umschlag. Es lebe das Fernsehen!
    Ansonsten war mir entsetzlich schlecht. Weil der Tag der Tage angebrochen war und weil mein Spiegelbild überhaupt keine Anstalten machte, mir in irgendeiner Weise zu schmeicheln.
    Ich würde nicht hingehen.
    Ich würde es doch tun.
    Lieber doch nicht.
    Vielleicht war alles nur ein Joke, ein dummer Jungenscherz, und Jan würde nicht da sein, er hatte seine alberne Karte längst vergessen, ich würde auf dem Bahnsteig stehen, kein dünner Mann mit graugrünen Augen weit und breit: So eine Demütigung würde ich nicht ertragen!
    Ich rief Greta an.
    »Du gehst hin«, sagte sie. »Natürlich hat er die Verabredung nicht vergessen.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Absolut.«
    »Ich mache mich doch nur lächerlich.«
    »In diesem Zusammenhang finde ich seine Karte lächerlicher.«
    »Ich kann nicht!« jammerte ich weiter.
    »Herrgott, dann laß es bleiben! Mäxchen schreit.«
    »Greta?«
    »Ja!« Sie klang äußerst genervt.
    »Okay, dann gehe ich. Wenn du das verantworten kannst.«
    Greta lachte laut in den Hörer, wünschte mir viel Glück und legte auf. Wieder stand ich allein mit mir und meinem Päckchen namens Leben da. Zum Glück ging mir wenigstens das Schicksal der Berghusens und Wittgensteins, das hier besiegelt in diesem Umschlag lag, so ziemlich sonstwo vorbei.
    Gut, war es eben entschieden. Hinfahren und den Kopf in die Guillotine stecken. Besser noch: erst aus sicherer Entfernung die Lage peilen; verkrümeln konnte ich mich ja immer noch.
    Was anziehen? Ich öffnete das Fenster und hielt meinen Kopf nach draußen. Ein undefinierbarer Himmel brütete ein ebenso undefinierbares Wolken-Sonne-Wind-und-Regen-Gemisch aus. Zwar war es noch recht warm, aber das konnte sich schlagartig ändern, und dann würde ich unter Umständen zähneklappernd und mit roter Nase neben Jan sitzen – kein günstiger Umstand. Fatal wäre es auch, wenn die Sonne durchkommen und ich, von einer plötzlichen Hitzewelle überrollt, Schweißflecken unter den Armen produzieren würde …
    Ein Kleid? Zu elegant. Hosen waren passend, aber da ich zwei Kilo zugenommen hatte, kniffen sie allesamt im Schritt und gaben mir zudem das Gefühl, ein aus den Fugen geratener Kuchenteig zu sein.
    Zwanzig vor zwei! In Windeseile zog ich einen langen schwarzen Leinenrock an, T-Shirt und beigefarbene Strickjacke, schwarze Schnürschuhe, dezent und edel, der Knitterlook für besondere U-Bahn-Fahrten.
    Ein leichtes Make-up,

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