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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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antworten konnte ich ja vorerst sowieso nicht.
    Die Begierde hockte plump und fett in der Schaltzentrale meines Gehirns und wollte, daß ich auf dem schnellsten Weg zum Vollzug schritt. Um meinen Triebstau möglichst schnell und effizient in andere Bahnen zu lenken, schaltete ich mein Sprachzentrum blitzschnell auf Angriff. Das war allemal besser als Flucht, er sollte gleich wissen, mit wem er es zu tun hatte.
    »Sie finden sich mit Ihrer Einladung wohl besonders witzig!« sagte ich in der Hoffung, daß es verächtlich klang.
    »Nein, ich dachte vielleicht originell«, antwortete Jan ruhig, »aber wahrscheinlich haben Sie recht … War wohl nicht so eine gute Idee.«
    Sein plötzlicher Rückzug brachte mich völlig aus dem Konzept. Er hatte selbst die Waffen gestreckt und ich keinen Grund mehr, ihn zu attackieren. Ich war verlegen. Draußen zog bereits der Hafen mit seinen Schiffen, Kränen und seinem Glitzerwasser vorüber, und ich fragte mich, was Jan im Schilde führte.
    »Ich finde es jedenfalls schön, daß Sie gekommen sind.« Er sprach gedämpft, fast klang er schüchtern, der brillante Unterhalter von neulich war gar nicht mehr erkennbar. Das machte ihn mir einerseits sympathischer, andererseits wirkte er dadurch auch ein wenig ungelenk.
    Als sich zwei Männer mit Aktentaschen zu uns ins Abteil setzten, verstummte er vollends.
    »Kaffee trinken?« fragte ich, um endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Die Alternative war für mich nur die möglichst schnelle Heimfahrt.
    »Gern. Kennen Sie etwas Nettes in der Nähe?«
    »Natürlich kenne ich etwas Nettes«, sagte ich mit aggressivem Unterton. Hatte sich der Idiot noch nicht mal vorbereitet!
    »Sie sehen sehr schön aus.«
    Etwas Ähnliches hatte ich doch schon einmal aus seinem Mund gehört. Erstaunlicherweise kam es aber nicht wie ein Kompliment aus der Retorte rüber, eher wie die Äußerung eines staunenden kleinen Jungen, der sich einfach nicht präziser ausdrücken konnte.
    Der obere Knopf an Jans Sakko war ausgetauscht und so dilettantisch angenäht worden, daß er beim nächsten Windhauch sicherlich abfallen würde.
    »Haben Sie keinen Plan? Kein Lebenskonzept?« überrumpelte ich Jan.
    Er öffnete leicht die Lippen und zog die Augenbrauen hoch.
    »Ich meine, wenn Sie schon etwas organisieren, dann immer nur zur Hälfte?« Meine Stimme klang mit Sicherheit schrill und viel zu hoch, aber das war jetzt auch egal.
    »Ich weiß nicht, ob Sie mich richtig verstehen«, sagte Jan nach einer kleinen Pause, »aber ich liebe … spontane Aktionen.«
    Natürlich verstand ich nicht, und bevor ich mich auf sein Kauderwelschim Kopf einließ, fragte ich ihn lieber, was er denn vom »Marinehof« oder vom »Rialto« halte.
    »Einverstanden.«
    »Und welches der beiden Lokale?«
    »Sie entscheiden.«
    Oh, mein Gott! Auf was für eine Knalltüte hatte ich mich da nur eingelassen! Die Bahn begann zu bremsen, also erhob ich mich kurz entschlossen und lotste Jan über den Rödingsmarkt Richtung »Rialto«. Währenddessen redeten wir nur über belanglose Dinge und solche, die uns eigentlich nichts angingen. Über das Essen bei Greta, über Mäxchens Fortschritte im Sitzen, Brabbeln und Kriechen und über die Frage, ob Greta nun ihr Leben im Griff hatte oder nicht.
    Ich widersprach Jan nicht. Weder seiner Theorie über Michas und Gretas glückliche Ehe noch seinem Vorurteil, Greta sei froh, daß sie sich in ihrer Rolle als Nur-Mutter dem Berufsleben nicht stellen müsse. Jan redete fortwährend in diesem leisen, fast nuschelnden Ton, so daß ich mich recken und regelrecht an seinen Lippen hängen mußte, um auch alles mitzubekommen.
    Als wir endlich im »Rialto« saßen und Getränke geordert hatten, entstand die erste richtig unangenehme Schweigepause. Greta hatte mir schon erzählt, daß Jan nicht gern über berufliche Dinge sprach, also fragte ich ihn nicht aus, brachte die Unterhaltung aber auch nicht darauf, was ich Tag für Tag am Schreibtisch trieb.
    Während ich meinen Kaffee umrührte, in dem es keinen Zucker zum Verrühren gab, hatte ich kurz den Eindruck, ich würde ihm geradezu verliebte Augen machen, das brachte mich derart durcheinander, daß ich prompt zu heftig rührte und ein wenig Kaffee verschüttete. Jan lächelte die ganze Zeit über wie ein verlegener Schuljunge.
    »Wie geht es Ihrer Frau?« fragte ich und lächelte zwar ebenso freundlich, aber – wie ich mir einbildete – kühl zurück.
    »Gut.« An seinem Blick konnte ich nicht ablesen, ob ihm meine

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