Lipstick
Adresse geben, er hat nicht lokkergelassen, der Hallodri.« Manchmal kamen bei Greta doch noch ihre bayrischen Urahnen zum Vorschein.
»Er hat mich zu einer U-Bahn-Fahrt eingeladen«, sagte ich und fühlte mich auf einmal unglaublich geschmeichelt. Ohne es zu wollen, war ich gerade mal wieder dabei, meine Meinung über den Haufen zu werfen. Vielleicht sollte ich doch hingehen. Die Abwechslung würde mir guttun, und außerdem hatte ich den Geruch der U-Bahn-Plastiksitze schon immer geliebt.
»U-Bahn-Fahrt?« Greta lachte schrill auf. »Soll das etwa originell sein?«
»Wir sind uns ein paar Tage vor deinem Fest schon einmal in der U-Bahn begegnet.«
»Ehrlich?«
»Ja, ehrlich.«
»Und dann?«
»Nichts. Wir haben uns kurz angesehen, und ich bin raus … Sollte ich ihn vielleicht vor versammelter Mannschaft vergewaltigen?«
Greta verrührte gedankenverloren das Kakaopulver im Schaum. »Ich dachte immer, Jan würde keine Frau ein zweites Mal angukken.«
»Vielleicht bin ich die große Ausnahme«, sagte ich. »Meine zu runden Knie lassen eben jeden Mann schwach werden.«
Greta lachte.
»Sag mal … Soll ich darauf eingehen?«
»Klar, sollst du! Spaß muß sein …«
Weiter kam Greta nicht, weil ich ihr einfach den Mund zuhielt. Natürlich konnte man die Sache unter dem Spaßaspekt sehen oder sie einfach deshalb phantastisch finden, weil man auf Plastikpolster versessen war – es gab da die unterschiedlichsten Motive.
»Was weißt du eigentlich über diese Katharina?«
»Nicht mehr als du. Sie hält sich immer dezent im Hintergrund. Und Micha hat nie was verlauten lassen. Vielleicht interessiert es ihn auch nicht. Keine Ahnung.«
»Ich finde sie sehr sympathisch.«
Greta war derselben Meinung. Sie nahm Mäxchen auf den Arm, der angesichts unserer vermutlich langweiligen Unterhaltung zu nörgeln angefangen hatte.
»Warum macht dieser Typ so was?«
»Du hast die einmalige Chance, es rauszufinden«, sagte Greta mit monotoner Stimme.
Ich trank meinen Cappuccino und befummelte gedankenlos Mäxchens Hände.
»Erstens will ich mir nicht die Finger verbrennen, und zweitens möchte ich Katharina nicht weh tun.«
»Das hast du bereits getan.«
Ich sah Greta erstaunt an.
»Oder glaubst du etwa, sie hat nicht mitbekommen, daß Jan es auf dich abgesehen hat?«
»Gefällt er dir etwa auch?«
»Kann schon sein, aber er hat dich ausgewählt.«
»Würdest du …?«
»Wenn Mäxchen nicht drunter zu leiden hätte, vielleicht. Aber da Mäxchen garantiert drunter leiden würde, nein. Ausgeschlossen. Kein Liebhaber, bevor Mäxchen in den Kindergarten kommt.«
Da hatte Greta sich ja was vorgenommen.
»Und dann ist Jan fällig?« hakte ich nach.
»Ich überlasse ihn großzügigerweise dir.« Sie machte eine galante Verbeugung. »Du kannst mir dann ja sagen, ob er was taugt.«
Ich mußte lachen, stellte mir vor, wie ich Greta meine Sex-Bewertungstabelle überreichte.
»Außerdem gönne ich ihn dir. Ehrlich! Und wenn du’s nicht glaubst, dann guck mal, was für einen tollen Kerl ich hier auf dem Schoß habe!«
Da mußte ich ihr eindeutig recht geben. Ein Mann, der Max hieß und hinreißend lachte, hatte gegenüber einem fast Vierzigjährigen ganz entschiedene Vorteile. Er war nicht mit halb Hamburg im Bett gewesen, des weiteren unverheiratet und nicht derart abgebrüht, daß er eine Frau nach der anderen verschliß. Er verschliß nur seine Mama, das allerdings unter Aufbietung all seiner Kräfte.
Wie um mich zu vergewissern, daß nicht nur mein Leben kompliziert war, fragte ich Greta, wie es bei ihr momentan so laufe.
»Alles unverändert. Micha will ein zweites Kind, ich nicht – so einfach ist das.«
»Unglaublich einfach …«, murmelte ich.
»Niemand kann mich zwingen.
»Warum will er denn unbedingt?«
Greta zuckte die Schultern. »Mäxchen soll nicht allein aufwachsen, das Glück einer vierköpfigen Familie, weiß der Henker. Aber ich bin doch nicht wahnsinnig! Mäxchen kann ich notfalls auch ohne Vater großziehen.«
Es war das erste Mal, daß Greta so etwas sagte. Ich musterte sie eine Weile und wußte gar nichts zu erwidern. Obwohl mir klar war, daß sie etwas völlig Richtiges ausgesprochen hatte, bekam ich dennoch einen Schreck. Seit ich Greta und Micha kannte, warensie so was wie eine Institution, das Paar aller Paare, das sich nur ertragen konnte, wenn es stritt, und da die beiden ein Kind miteinander hatten, kam auch niemand auf die Idee, daß sie sich eines Tages tatsächlich trennen
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