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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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auch könnte, und dann fand er mein Lachen so schön und glücklich. Unter dem Tisch wanderte seine Hand auf meinem Bein hin und her, und ich fragte mich, warum wir überhaupt das Pensionszimmer verlassen hatten.
    »Wo wohnst du eigentlich?« fragte ich Jan.
    Er winkte ab. »Du hast dir sowieso die hübschere Unterkunft ausgesucht.«
    Warum tat er bloß immer noch so geheimnisvoll? Damit ich ihm nicht zu nahe trat? Das würde ich angesichts seiner komplizierten Familienverhältnisse schon nicht tun, und außerdem fand ich es im Moment viel wichtiger, die nächsten achtundvierzig Stunden zu planen.
    »Raus und an die Luft«, schlug Jan vor, was ich für eine hervorragende Idee hielt.
    Also zahlten wir; vermutlich fand er es wie ich unerträglich, einfach nur dazusitzen und nichts in Sachen Sex unternehmen zu können. Eine warme Brise trug ein seltsames Duftgemisch aus Abgasen und dem Geruch nach Essen und Kloake zu uns herüber, als wir nach draußen traten.
    Arm in Arm gingen wir durch die Straßen, als wären wir ein ganz normales Paar in einem ganz normalen Urlaub in Lissabon. Tausende solcher Paare liefen hier herum, wir waren nichts Besonderes, vielleicht nur ein bißchen glücklicher und zugleich unglücklicher. Jan verstärkte den Druck auf meine Taille, ließ mich dann aber los, um sich eine Zigarette anzuzünden. Rauchend lief er neben mir her. Wir hatten kein Ziel, ließen uns einfach treiben. Die Sonne verlieh den abblätternden Fassaden den Glanz eines gut ausgeleuchteten Bühnenbildes, und wir waren die Statisten, die man extra engagiert hatte, damit wir ein, zwei oder auch drei Akte lang in der Kulisse herumtaumelten. Und danach? Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan? War ich die Mohrin, oder war das Ganze ein lustiger Schwank mit Happy-End?
    Wir sprachen nicht über die nächsten achtundvierzig Stunden. Nicht mal über die nächsten fünf Minuten. Sie verstrichen einfach.
    Als die Sonne am höchsten stand und ihr grelles und zugleich milchiges Licht verpulverte, kehrten wir in einem winzigen Restaurant in der Bairro Alto ein, wo wir Fisch mit Salat bestellten, den wir mit Heißhunger vertilgten. Jans Stirn glänzte. Mit den Fingern klaubte er ein letztes Salatblatt vom Teller und steckte es sich in den Mund.
    Eigentlich wäre es der richtige Moment gewesen, um mich zu fragen, ob ich glücklich sei oder etwas in der Art, aber Jan hatte etwas anderes im Sinn, er lächelte feierlich, packte mich bei der Hand und zog mich auf die Toilette. Keine Ahnung, ob der Wirt es gesehen hatte und falls ja, wie er es deutete.
    Zum Glück mußten wir nicht die Frage klären, gehen wir auf die Damen- oder auf die Herrentoilette. Es gab nur eine, und die war vollkommen verdreckt, und auf dem Fußboden schwammen Sägespäne in einer matschigen Brühe.
    »Sollen wir uns das antun?« fragte Jan.
    »Ja.« Das kam so spontan, daß ich mich über mich selbst nur wunderte. An diesem Ort und unter diesen Umständen Sex zu haben war etwas, was mir bis dato völlig aberwitzig erschienen wäre.
    »Ist die Tür auch abgeschlossen?« Ich hatte einen trockenen Hals und immer noch das unbedingte Bedürfnis, mit Jan zu schlafen.
    »Ja.«
    Wir küßten uns. Ich packte seinen Hosenbund, öffnete die Knöpfe, während er meinen Rock hochhob und den Slip mit einem Ruck bis zu den Knien runterriß.
    »Kondome?« Ich klang heiser und hatte nicht mal Angst, die Stimmung durch die Regelung solch technischer Fragen kaputtzumachen.
    »Warte …« Jan nestelte ein Ding aus seiner Hosentasche, wir agierten so professionell, als hätten wir schon tausendmal auf portugiesischen Klos trainiert. Ich überwand mich, stellte einen Fuß auf der Brille ab, so ging es leichter, und weil ich zu laut war, hielt Jan mir sanft den Mund zu.
    Es war schnell vorbei. Dann sackte ich in Jans Arm, der Geruch von Sex und Schweiß und Klo ließ mich fast ohnmächtig werden, meine Beine fühlten sich butterweich an.
    Lissabon war der Wahnsinn. Es war der Anfang eines neuen Lebens, so erschien es mir jedenfalls, und alle Zweifel packte ich in eine Kiste mit der Aufschrift »Don’t touch«.
    Jan zog zu mir in die Pension, wo wir uns bis zum Umfallen liebten. Seine zwei, drei Geschäftstermine erledigte er im Schnellverfahren, während ich weiter durch die Stadt streifte, lächelnd einen Fuß vor den anderen setzte und mich fragte, weshalb ich früher nie so einen Gesichtsausdruck zustande gebracht hatte. Die Schaufenster der Geschäfte gaben mir recht: Ich sah verdammt

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