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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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dir?«
    »Gut. Und dir?« fragte ich zurück und ärgerte mich über die kostbare Zeit, die wir gerade mit unserem Small talk verplemperten.
    »Mir auch. Das heißt – nein, stimmt nicht. Ich vermisse dich … Erledige gerade schrecklichen Bürokram. Was ist mit Florenz?«
    »Ich weiß noch nicht. Ich schreibe und … Können wir uns nicht sehen?«
    »Katharina ist in einer Stunde zurück.«
    »Ach so.«
    Eine kleine Pause entstand.
    »Was hast du an?«
    »Jeans und …«
    »Knöpf sie auf.«
    Mein Herz fing absurd laut an zu schlagen, während meine Kehle plötzlich wie ausgedörrt war. Ich tat, was er sagte, überwand mich und schlug ihm vor, doch das gleiche zu tun. Rascheln am anderen Ende der Leitung – eine ganze Weile lang. Dann hatte ich wieder Jans Stimme an meinem Ohr. Er sprach Befehle aus, leg dich quer übers Bett und stell deine Füße gegen die Wand, jetzt leg deine linke Hand auf die Innenseiten deiner Schenkel und laß sie da …
    Stop. Nicht so schnell. Ich wollte nicht, daß Jan die Regie übernahm. Es sollte mein Spiel werden, ich wollte Tempo und Art der Handlungen bestimmen. Also drehte ich den Spieß um und sagte ihm, was er zu tun hatte. Die Wörter kamen ganz automatisch über meine Lippen, vulgäre, harte Wörter, die ich bisher so gut wie nie ausgesprochen hatte. Ich hörte Jan in den Hörer keuchen, zwischendurch fingen wir an zu plaudern, brachen ab und machten weiter. Einmal glaubte ich, daß Tom nach Hause kam, ich hörte ein Kratzen an der Haustür, geriet aus dem Takt, aber ich hatte mich wohl getäuscht, nahm den Rhythmus wieder auf, und das Verrückte an der Sache war, daß ich den direkten Körperkontakt nicht mal vermißte. So anonym, wie wir es taten, war es genau richtig, und auch als wir beide fertig waren, fühlte ich mich weder einsam noch befremdet. Ich lag erschöpft und entspannt auf meinem Bett und freute mich, daß aus der Not der Situation eineganz neue Dimension unserer sexuellen Beziehung entstanden war.
    »Fühlst du dich okay?« Jan sprach gedämpft und ein wenig außer Atem.
    »Völlig okay.«
    »Sicher?«
    »Ja! Sicher! Was willst du noch hören?« »Nichts«, murmelte Jan. »Ich dachte nur …«
    »Du brauchst nichts zu denken und schon gar nicht den edlen Ritter zu spielen.«
    Draußen rasten Wolken vorbei, mit Sicherheit würde es einen Schauer geben.
    »Ich würde dich gern sehen.«
    »Dann komm vorbei«, schlug ich vor.
    »Nein.«
    Bislang hatte Jan immer nein gesagt, wenn ich denn mal den Mut gefunden hatte, ihn zu mir einzuladen. Ich hatte gebohrt und ihn gelöchert, aber er war nie mit einer Begründung rausgerückt. Warum eigentlich nicht? Ich machte schon keine Zicken, ich akzeptierte ja all seine Bedingungen, aber ich fand es einfach unfair, daß er sich, was meine Wohnung betraf, so bedeckt hielt. Als ob ich Ratten züchtete, die ihm beim Betreten des Flurs sein wertvollstes Teil abbissen.
    »Du kannst mich mal mit deinen Neins!« Ich war wütend und traurig und legte einfach den Hörer auf. Nur ein Wort, und er hatte es geschafft, die Stimmung kaputtzumachen.
    Eine halbe Stunde später klingelte es Sturm.
    Jan.
    Es war kaum zu glauben.
    Vorsichtig tastete er sich über den Flur und bis in mein Zimmer. Keine Ratten. Er sah sich alles genau an, sagte aber keinen Ton. Irgend etwas arbeitete hinter seiner Stirn und wollte sich nicht in Worte fassen lassen.
    »Und?«
    »Nett.«
    Er ließ sich auf mein Sofa plumpsen und stierte auf den unaufgeräumten Schreibtisch. Neben, vor und hinter dem Computer stapelten sich Manuskriptseiten, Schmierpapier und jede Menge Lexika.
    »So wohne ich also«, sagte ich etwas unbeholfen.
    »Es gefällt mir.« Jans Gesicht erinnerte mich an eine Maske.
    Ich ging raus, um Cappuccino zu machen, dachte schon wieder nur an das eine. Mit ihm in meinem Bett – das wäre trotz aller Normalität mal eine reizvolle Variante. Es so zu tun, wie alle es taten, züchtig und in den eigenen vier Wänden. Ich sehnte mich auf einmal so fürchterlich danach, daß es schmerzhaft in meinem Kopf zu pochen begann.
    Als ich zurückkam, sah Jan aus, als habe er gerade den gleichen Gedanken gehabt. Er nippte etwas zu schwungvoll an seinem Cappuccino, so daß ihm ein Bärtchen aus Milchschaum oberhalb seines Mundes klebte, als er mich zu sich auf den Schoß zog. Ich öffnete ihm die Hose, fragte ihn statt nach Katharina nach Kondomen.
    »Kondome?«
    »Ja! Hast du etwa keine dabei?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich bin so überstürzt aus der Wohnung

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