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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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hier, Telefonsex da, immer große Worte, und irgendwann hatte man das Repertoire durch und die Frau satt. Oder doch nicht? Es wäre zu abgeschmackt, ich hatte Jan eigentlich nie so eingeschätzt.
    Statt ihn danach zu fragen, bemühte ich mich, unser Telefonat einigermaßen würdevoll zu beenden. Die Oberhand gewinnen – das war das einzige, was mir momentan helfen konnte. Mich auf meine Arbeit konzentrieren. Greta stützen. Oder ich schaffte mir ein Kind von Weiß der Teufel Wem an. Schließlich war es doch das, was Jan in meinem Fall für äußerst angebracht hielt.
    Auf Sex verzichten.
    Natürlich bewirkte es genau das Gegenteil. Statt einfach nicht daran zu denken, wie es ja oft sowieso Normalzustand war, geisterten jetzt unentwegt Sexphantasien durch meinen Kopf. Sämtliche Abteilungen meines Sprachzentrums waren mit Wörtern wie »geil«, »ficken« und »vögeln« belegt, während in anderen Teilen des Gehirns lauter lustige Pornofilmchen liefen. Und das Ekelhaftean der Sache war: Immer spielte Jan die Hauptrolle, dieser verhärmte, langnasige Mensch mit der unerhört erotischen Wirkung.
    Phantastisch! Volltreffer! Dieser Typ hatte es doch tatsächlich geschafft, daß ich nur noch an ihn und das eine dachte. Er war mein Vollkornbrötchen, frisch gebacken und so knusprig lecker, daß mir unentwegt das Wasser im Mund zusammenlief, und dennoch durfte ich nicht reinbeißen. Ich durfte nicht mal die Körner abpikken, die außen dranklebten, konnte sie mir gerade mal ansehen und überlegen, warum ich sie so wahnsinnig lecker fand.
    Einmal traf ich. Jan zum Kaffee. Nur auf ein Stündchen, keine Zeit, ich hätte auch keine – behauptete ich jedenfalls.
    Wir plauderten – belangloses Zeugs, wie ich fand –, es war nett, harmlos und unerotisch, die Rattanstühle waren unbequem, die Halogenstrahler blendeten, der Cappuccino schmeckte entsetzlich nach aus der Tüte angerührt, und Jan war distanziert, als hätten wir nie ein paar heiße Stunden auf kühlem Bundesbahnkunststoff verlebt.
    Es war ein einziger Alptraum! Weshalb saß ich überhaupt hier und tat mir das an? Ich könnte es so einfach und vor allem geordnet haben. Mit Hans Zusammensein. Mich anhimmeln lassen. Ein Kind in die Welt setzen und abends wunderbare Weine trinken.
    Hans! Ich hatte ihn in den letzten Tagen und Wochen so gut wie vergessen. Er rief nicht an, was ja nur verständlich war – vielleicht sollte ich jetzt die Initiative ergreifen und mich bei ihm melden.
    Ich schaute an die Decke, wo sich jede Menge Risse und Wasserflecken tummelten, und war den Tränen nahe. Ich haßte mich dafür, daß ich mich nicht einfach zusammenreißen konnte.
    Es half auch nichts, daß ich mir einen Wodka bestellte und ihn in einem Zug runterkippte. Als Jan sagte, er müsse jetzt langsam gehen, wurde erst meine Nase rot, und dann fing ich tatsächlich an zu weinen.
    »He, Kleines!« Jan klang unerwartet liebevoll, was die ganze Sache nur noch schlimmer machte.
    Besser, ich stand jetzt auf und ging. Tür auf, Tür zu. Ich marschierte durch einen lausigen Herbst, der lausiger nicht seinkonnte. Ein naßkalter Wind blies mir in den Kragen, natürlich fing es wie aus Eimern zu schütten an, ich schlitterte auf matschigen Blättern dahin, und dann wurde auch noch mein Regenschirm von einer Windböe erfaßt, knacks machte es, und das schöne Ding war hinüber.
    Zu Hause setzte ich mich hin und entwarf einen Lebensplan.
    Das hatte Paul mir am Telefon geraten. Wenn er mit den Nerven am Ende war, schnitt er sich lauter kleine Zettel zurecht, auf die schrieb er »Zur Post gehen«, »Steuerberater anrufen«, »Vitaminpillen kaufen«, »Klo saubermachen« und so weiter und so fort.
    Ich variierte seine Methode, indem ich mir ein Schulheft kaufte, liniert, DIN-A5, in das ich nun fein säuberlich meine Vorhaben eintrug.
    1. Jan nicht anrufen.
    2. Hans anrufen.
    3. Drehbuch überarbeiten, Korrektur lesen.
    4. Greta überreden, zu mir zu ziehen, anschließend Tom rausschmeißen.
    Natürlich kam alles anders als erwartet: Gerade hatte ich Punkt eins befolgt, war unversehrt ums Telefon herumgeschlichen, als es losschrillte. Ich stürzte zum Apparat, den ich aus Sicherheitsgründen unter meinen Schreibtisch geschoben hatte, und hechelte ein erwartungsvolles »Ja?« in den Hörer. Jan. Zu dumm, daß mich mein eigener Plan boykottierte.
    »Ich wollte dich fragen, wie es dir geht«, sagte er originellerweise.
    »Blendend!« Ich schmetterte es im Brustton der Überzeugung heraus und

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