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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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dazu, die Gäste johlten, und dann nahm ein Typ mit Schnauzbart und langer weißer Schürze, der vermutlich der Oberkellner war, Teller von der Theke und ließ sie einfach fallen, einen nach dem anderen, so daß sie laut scheppernd auf den Steinfliesen zu Bruch gingen.
    »Hör mal …« Jan sprach trotz des Lärms leise und nahm währenddessen mit seinen Knien meinen rechten Oberschenkel in die Zange. »Wir könnten das so machen …«
    »Was meinst du mit das ?«
    Eine steile Falte zeichnete sich auf seiner Stirn ab, als er sagte: »Du weißt doch genau, was das ist!«
    »Sex?«
    »Liebe. Und dazu gehört Sex.«
    »Du meinst also, du willst unsere Liebe und unseren Sex organisieren?«
    »Herrgott, leg doch nicht jedes Wort auf die Goldwaage!« Jan schnippte nach einem gerade freien Kellner, viel zu selbstgefällig, fand ich, und orderte noch eine Karaffe Rotwein. »Okay, unsere Situation ist nicht optimal, kann man nicht so sagen, aber wir können doch auch nicht ignorieren, daß wir so etwas wie eine Beziehung haben.«
    »Ja.« In einem Anfall von sexueller Gier schob ich mein Bein tiefer zwischen seine Schenkel.
    »Ich meine …« Jan drehte seinen Kupferring, schaute mich nicht dabei an. »Vielleicht wäre es das beste …« Auf einmal sah er hoch.
    »Willst du mich nicht auf meinen Reisen begleiten?«
    Ich schluckte und lehnte mich weit zurück. Merkwürdigerweise fühlte ich mich geschmeichelt und gekränkt zugleich.
    »Als deine Mätresse? Angestellt mit festem Jahressalär und so? Wir können es auch Aufwandsentschädigung nennen. Für deine Steuererklärung.«Ich schlug so ruckartig meine Beine übereinander, daß ich mich an der Tischkante stieß. »Du vergißt, daß ich auch einen Job habe!«
    »Nein. So meine ich das nicht. Wenn du Lust und Zeit hast, kommst du mit, wenn nicht, dann nicht.«
    »Ich glaub, ich krepiere.«
    »Quatsch!« Jan beugte sich über den Tisch, nahm meinen Kopf in beide Hände und küßte mich lang und weich.
    In einen Nachtzug zu steigen ist eines der ekelhaftesten Dinge überhaupt. Keine zwei Minuten, und schon hat man das Gefühl, der Toilettengeruch verfolge einen überallhin, die Haut verdorre wie sonst nur in Jahrzehnten, und überhaupt – kaum ist man ein paar Meter durch den Zug marschiert, hat sich durch klemmende Türen gepreßt und sich an Mitreisenden vorbeigedrängt, haben die Fingernägel einen schwarzen Rand. Selbst in Jans Begleitung war das so.
    Und dann waren auch noch alle Liegeplätze, inklusive Schlafwagen, komplett ausgebucht. Der Schaffner verwies uns auf die paar Sitzabteile, und mein Gesicht wurde immer länger, während wir uns ein zweites Mal in entgegengesetzter Richtung durch den Zug quälten.
    Womit hatte ich das verdient? Ein Wiedersehen mit Jan sollte wenigstens an Lissabon anknüpfen und nicht qualitativ um Klassen abfallen.
    »Wir können noch aussteigen und morgen den ersten Flieger nehmen«, meinte Jan.
    »Und was machen wir in der Zwischenzeit?«
    »Rumlaufen. Einfach nur so. Wie in ›Before Sunrise‹.«
    »Wir sind keine Teenager mehr.«
    »Dann schlafen wir im Bahnhof« Jan lachte. Erotisch. Einfach zum Anbeißen.
    »Komm.« Ich zog ihn ins Abteil, das zum Glück leer war. Wir malten uns aus, was wir tun würden – angenommen, es gäbe keine Schaffner in diesem Zug, nur wir beide allein auf diesen roten, gammeligen Plastiksitzen …
    »Petting«, schlug Jan vor.
    »Soixante-neuf«, überbot ich ihn.
    »A tergo.«
    »Viel zu riskant!«
    »Ach!« schnaubte Jan. »Riskanter als neunundsechzig?«
    »Nein, eigentlich nicht. Und vor allem braucht dabei niemand von uns seinen nackten Hintern auf die Sitze zu legen.«
    »Wie praktisch.« Jan drückte mich an sich. »Die kluge Hausfrau sorgt vor.«
    »Ja, genau. Kondome, Vibrator, Dildos und Taschentücher.«
    »Taschentücher?«
    »Ja. Zum Spermienauffangen.«
    So schaukelten wir uns immer weiter hoch, auch wenn keiner von uns ernsthaft in Erwägung zog, Dinge dieser Art an diesem Ort auszuführen. Viel zu riskant.
    Wir küßten uns nur ein bißchen, aber als der Zug endlich anfuhr, wurde es mehr, und wir waren immer noch allein. Ich schaute Jan an und er mich, und ich dachte, wenn er jetzt weiter so guckt, dann fackelst du nicht mehr lange.
    Vermutlich dachte er das gleiche, denn er sagte mit der Stimme eines Schlachters, der gleich mit unbändiger Lust ein ganzes Schwein zerlegen wird: »Warten wir noch, bis der Schaffner durch ist …«
    »Im Ernst …?«
    »Ja.« Es klang entschieden, aber mit

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