Lipstick
ein Bett, an der anderen Wand war ein Waschbecken montiert, zwei Hocker – aus. Die Toilette sei gegenüber, meinte die Wirtin auf italienisch; nach einer Dusche wagte ich gar nicht erst zu fragen. Es mußte eben so gehen.
»Gefällt’s dir?« fragte Jan, als wir endlich die Tür hinter uns schlossen.
»Wahnsinnig schön!« sagte ich und kicherte. Mit einemmal fühlte ich mich ihm wieder so nah wie zu unseren besten Zeiten. Ich drückte mich an ihn, gab ihm ein paar Küsse, dann bewegten wir uns aufs Bett zu.
»Wann hast du es zum ersten Mal getan?«
»Achtzehn.«
»Los, erzähl schon.« Jan fummelte an den Knöpfen meiner Jeans herum.
»Ich hab ihn im Urlaub kennengelernt. Frankreich.«
»Dunkle Locken und braune Haut?«
»Dunkle Locken und sich pellende Haut. Nicht besonders sexy.«
»Und?« Jan war dabei, mir die Hose runterzuziehen.
»Am Strand …«
»Klar … Alle blonden Mädchen werden am Strand entjungfert.«
»Ich kann doch nichts dafür. Außdem war’s eine halbe Vergewaltigung.«
»Schön?«
»Schrecklich. Aber aufregend.«
»Und dann?«
»Ich weiß nicht. Später hat er eine mündliche Vorstellung gegeben …«
»Und wenn ich das jetzt tue?« Jan wanderte mit dem Mund abwärts. »Erzähl mir mehr.«
»Brauchst du das, um auf Touren zu kommen?«
Er schaute mich erstaunt an: »Nein, aber es ist schön.«
Was ich dann auch fand. Und im übrigen fand ich, daß ich wieder ziemlich verliebt war und eigentlich keine große Lust hatte, nach Hause zü fahren.
Die Gretchenfrage drängte sich mir in den nächsten Minuten und Stunden immer wieder auf: Wie wäre ein Leben mit Jan zu Hause? Einfach alltäglich und ohne überraschende Momente? Der Kühlschrankvoll, der Fernseher an und der Sex solide Hausmannskost? Und würde er es noch scharf finden, wenn ich ihm dabei scharfe Geschichten erzählte?
Wir fuhren am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe weiter. Die Stimmung war gut. Sonne und kahle Felder. Jan warf seine Lieblingskassette mit Brasil-Musik ein, und ab und zu lachte er mich von der Seite an.
»Überleg’s dir«, sagte er, nachdem wir schon hinter Füssen waren.
»Was meinst du?« stellte ich mich dumm.
»Ich dachte, ich hätte mich gestern klar ausgedrückt.«
»Hast du auch, aber …«
»Was aber?«
Einen Moment lang sagte ich nichts, und sofort legte sich eisiges Schweigen über uns.
»Ich finde, du kannst solche Entscheidungen nicht treffen, bevor du nicht mit Katharina gesprochen hast.«
»Aber ich rede auch nicht mit ihr, bevor ich nicht weiß, was du eigentlich denkst.«
»Ach! Du möchtest dich also vorher absichern?«
»Nenn es, wie du willst.«
»Außerdem hast du mir noch nicht einmal gesagt, wie du dir das mit deinen Kindern vorstellst!«
»Wir würden uns schon einigen.«
»Ja, bestimmt. Katharina nimmt Timmi und du das pflegeleichteste, das ich dann großziehe.«
»Ich hab nie gesagt, daß du mein Kind großziehen sollst, und außerdem verstehe ich nicht, warum du ständig auf Streit aus bist.«
»Katharina tut mir leid. Schließlich weiß sie nicht mal was von ihrem Glück.«
Jan seufzte und drückte aufs Gaspedal.
Bevor er wieder seine Schweigemauer hochziehen konnte, sagte ich zickig, bald wären wir wirklich so weit, daß wir uns in einer dieser unsäglichen Liebesshows im Fernsehen wiedertreffen könnten.
»Bist du dir so sicher, daß ich dich über ein tränenreiches, furchtbar gestammeltes Video suchen würde?« fragte Jan.
»Ja. Ziemlich.«
Wir mußten beide lachen und ließen das Thema für eine Weile. Die Landschaft wurde von Kilometer zu Kilometer deutscher, ich hatte Durst und wollte einfach nur noch nach Hause.
Jan begann auf einmal, Witze zu erzählen, was so gar nicht zu ihm paßte. Zeit totschlagen. Zum ersten Mal kam mir in seinem Beisein das Wort Langeweile in den Sinn. Oder war es nur beginnende Vertrautheit?
»Wir sind da«, sagte Jan, als wir kurz vor acht Uhr über die Elbbrücken Richtung Zentrum fuhren.
»Wo?« fragte ich irritiert, während ich die Augen aufschlug, und dann lag die Lichterstadt schon vor mir.
»Ich weiß nicht, wo wir angekommen sind«, murmelte Jan.
Ich guckte zu ihm rüber; im dunklen Auto wirkte er aschfahl.
»Willst du gleich nach Hause?«
»Ich glaube schon.«
Also chauffierte er mich über die Sierichstraße nach Eppendorf. Jan parkte direkt vorm Haus. Er riß die Autotür auf, sprang aus dem Wagen und half mir, meinen Koffer aus dem Kofferraum zu hieven. Aus den Augenwinkeln sah ich Greta
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