Lisa findet ihren Herrn (German Edition)
Seilschlingen sind um Oberschenkel und Tischbein geschlungen, andererseits um Oberarme und Tischbeine. So ist Lisa absolut unbeweglich fixiert. Frank streicht mit der Hand über Lisas Rücken und geht einmal um den ganzen Tisch herum. Mit einem Finger hakt er sich in den Ledertanga und prüft dessen Sitz. In dem Raum ist es nun bis auf die Kerzen vollständig dunkel. Wie ein Lichtkreis um eine Kultstätte sind sie um den Tisch herum aufgereiht. Frank stellt die Musik lauter: Gregorianische Chöre verleihen der Situation feierliche Besinnlichkeit, eine Ahnung von Erbarmen und Tod, es geht um Schmerzen, Hingabe und Erlösung, um Abbitte und Vergebung, um das Zusammenführen alles Menschlichen in einer übergeordneten Göttlichkeit.
Frank hält die Kerze hoch über Lisas Rücken, und passend zum Rhythmus der Musik lässt er den heißen Wachs auf sie herab tropfen. Erst sparsam hier und da ein Tröpfchen, dann kräftiger ein Rinnsal, das sofort zur festen Masse wird. Lisa zuckt kaum merklich, mit geschlossenen Augen konzentriert sie sich auf sich und ihren Atem, die heißen Nadelstiche ergeben hinnehmend.
Nadeln, fällt ihr ein, irgendwann wird sie Frank fragen, ob er Nadeln setzen wird. Sie stellt sich vor, ein Piercing zu tragen, direkt über der Klitoris. Darin wird sie eine dünne Kette einhaken, die sich in zwei Enden aufteilt und jedes davon zu ihren Brustwarzen führt. Die Vorstellung erregt Lisa. Optimale Verbindung zur Luststeigerung, lautet das Fazit ihrer Fantasie.Heftig zieht sie Luft durch die Zähne. Das war heiß, nimmt sie wahr, offenbar spielt Frank mit der Entfernung. Wachs aus der Nähe vergossen kann einen heftigen Schmerz auslösen, sogar eine Rötung oder kleine Verbrennung verursachen, aus größerer Entfernung vergossen ist es wie ein kleines Pieksen oder gar wohlig warm ohne das, was man als Schmerz bezeichnen würde. Aber es ist nie gleich, und irgendwie ist man in akuter Alarmbereitschaft, dass sich etwas Schmerzvolles ereignen könnte . Man weiß nie, was kommt. Das ist oft 'schlimmer', als der Schmerz selbst. Lisa schließt die Augen, nimmt die heißen Tropfen auf ihrem Rücken wahr, lauscht auf ihren Atem, auf die Musik. Genießt die Herausforderung … und die Prüfung, genießt ihren Körper, der wie ein großer Schwamm die Reize von außen aufnimmt und ihr die Möglichkeit gibt, diese einzuordnen, zu sammeln und zu bewerten, als real oder irreal zu empfinden. Sie sieht oranges Licht, eine grelle Sonne, hört ein glucksendes Lachen.
„Für Sie, Madame, möschte isch nur viel Sonnenschein!“ Lisa sieht ein strahlendes Gesicht, die blitzenden Augen des Postboten aus Martinique. Lisa seufzt laut, und sofort spürt sie die Hand Franks auf ihre Schulter.
„Alles in Ordnung bei dir?“, fragt Frank.
Lisa möchte das kleine Kopfkino auf jeden Fall behalten.
„Ja, mach weiter!“, fordert sie ihn auf, meint aber insgeheim den jungen Mann, mit dem sie sich jetzt am Strand von Port au Prince sieht, vor kristall-türkisfarbenem Wasser, mit seinen strahlend weißen Zähnen und seinem durchtrainierten, muskulösen Körper. Noch ein Seufzer entwischt Lisa, aber bevor Frank reagieren kann, fordert sie laut:
„Weiter! Mehr davon!“ und hält sich gleich selbst für verrückt, nachdem sich ein Schwall heißen Wachses über ihren Rücken ergießt und sie heftig die Haut anspannen lässt. Aber, Gott sei Dank, da ist es wieder, das Bild, die Rastazöpfchen tanzen, und Lisa hört seinen Trost aus der Erinnerung des verflixten Unfalltags:
„Oh, das tut mir leid. Isch ‘offe, es ist nischt so schlimm für Sie.“ Lisa schüttelt den Kopf, als wolle sie den Schmerz des heißen Wachses mit energischem Nein einfach von sich weisen.
„ Ist schon gut, danke!“, hört Lisa ihre eigene Stimme. „Nun will ich aber wissen, was du in der Hose hast?!“
„Alles nur für Sie, Madame, bedienen sie sich“, fantasiert Lisa mit zunehmender Begeisterung und reißt ihm wie eine Furie die Klamotten vom Leib. Dann spürt sie eine große Erleichterung im Abklingen der Verbrennung, die die karibische Sonne auf ihrem Rücken verursacht hat. Sie spürt eine kühlende Hand auf ihrer Haut. Als sie sich umwenden möchte, um zu sehen, wer ihren Rücken berührt, hat der karibische Sand plötzlich die Farbe der Folie angenommen, die Frank als Schutz für den Teppich unter dem Tisch ausgelegt hat.
Als Frank seine Hand auf Lisas Rücken legt, fühlt sich die Haut feucht und kühl an vom stressbedingten
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