Lisa Kleypas
ließ das Thema ruhen.
Shelby sah
sich kurz in dem Spielzeuggeschäft um und sagte: »Was für ein toller kleiner
Laden. Wenn ich wieder mal hier bin, muss ich mir ein paar Sachen für meine Neffen
aussuchen. Weihnachten kommt ja immer so überraschend.« Sie hakte sich
bei Mark ein und lächelte zu ihm hoch. »Wenn ich meinen Flieger noch erreichen
will, sollten wir jetzt besser gehen.«
»Natürlich.«
Mark nahm seine Einkaufstüte vom Tresen und griff nach dem Schneckenhaus in
Hollys Hand. »Soll ich das für dich tragen, mein Schatz?«
Sie hielt
es fest und drückte das Gehäuse an sich. Ein klarer Hinweis darauf, dass sie
ihr Geschenk lieber selbst tragen wollte.
»In
Ordnung, aber pass auf, dass du es nicht fallen lässt.« Er wandte sich
noch einmal der kleinen Rothaarigen hin ter dem Tresen zu. Sie war dabei, die
Stifte, die neben der Kasse in einer Tasse standen, neu zu sortieren. Dann
rückte sie ein paar winzige Plüschtiere zurecht und gab sich mit weiteren
unnützen Tätigkeiten geschäftig. Das durchs Ladenfenster schräg einfallende
Licht ließ ihre Locken kupferrot aufleuchten.
»Auf
Wiedersehen«, sagte Mark. »Und danke.«
Maggie
reagierte mit einem beiläufigen Winken, ohne wirklich zu ihm hinüberzuschauen.
Offenbar war sie genauso durcheinander wie er.
Nachdem Mark seine Freundin an dem kleinen
Flughafen der Insel, mit gerade mal einer Lande- und Startbahn, abgesetzt
hatte, fuhr er mit Holly zurück nach Hause auf das Gut seines Bruders. Es trug
den klangvollen Namen Rainshadow Vineyard, Weingarten im Regenschatten.
Nur etwa fünfeinhalb Meilen von Friday Harbor entfernt Iag es im Südwesten der
Insel an der False Bay. Sonntags musste man hier sehr vorsichtig fahren, weil
scharenweise Radfahrer und Reiter unterwegs waren und beinah handzahme
Schwarzwedelhirsche, die im hohen Sommergras zwischen den Brombeersträuchern
auf den Wiesen ästen, gemächlich die Straßen überquerten.
Mark hatte
die Fenster seines Kleinlasters heruntergekurbelt und ließ die sanfte
Meeresbrise in sein Auto. »Schau mal da!« Er deutete auf einen
Weißkopfseeadler, der über ihnen seine Kreise zog.
»Mmmm-hmm.«
»Siehst du,
was er in den Klauen hält?«
»Einen
Fisch?«
»Vermutlich.
Entweder hat er ihn selbst aus dem Wasser geholt oder einem anderen Vogel
geklaut.«
»Wohin
bringt er ihn?« Holly sprach zögerlich, als wäre sie selbst
überrascht, sich reden zu hören.
»Vielleicht
zu seinem Nest. Seeadlermännchen füttern ihre Küken genauso wie die
Weibchen.«
Holly
akzeptierte diese Information mit einem sachlichen Nicken. Nach allem, was sie
von der Welt wusste, erschien ihr das absolut plausibel.
Mark musste
sich zwingen, seine um das Lenkrad verkrampften Hände ein wenig zu lockern.
Überschwängliche Freude erfüllte ihn. Das letzte Gespräch mit Holly war schon
so lange her, dass er glatt den Klang ihrer Stimme vergessen hatte.
Ein Rat des
Kinderpsychologen war, es zunächst mit nonverbaler Kommunikation zu versuchen.
Also zum Beispiel Holly zu bitten, einfach auf der Speisekarte anzuzeigen, was
sie essen wollte. Natürlich immer mit dem Ziel, dass sie irgendwann einmal
aussprach, was sie wollte.
Bis heute
hatte Mark seine Nichte nur ein einziges Mal dazu bringen können, einen Ton von
sich zu geben. Das war auf einer Fahrt auf der Roche Harbor Road geschehen,
als sie das Kamel Mona auf seiner Weide entdeckten. Mona war eine Berühmtheit
auf der Insel. Vor acht oder neun Jahren hatte ihr jetziger Halter sie einem
Tierhändler in Mill Creek abgekauft und auf die Insel gebracht. Mark war sich
wie ein Idiot vorgekommen, als er Holly damit unterhielt, Kamelrufe
nachzuahmen. Aber es hatte sich gelohnt. Ganz kurz beteiligte Holly sich an den
Kamelimitationen.
»Was hat
dir geholfen, deine Stimme wiederzufinden, Liebes? Hat das etwas mit Maggie zu
tun? Mit der rothaarigen Frau?«
»Das war
die verzauberte Muschel.« Holly schaute auf das Schneckengehäuse hinab,
das sie immer noch in den Händen hielt.
»Aber die
Muschel ist nicht ...« Mark unterbrach sich. Es spielte keine Rolle, ob
sie nun verzaubert war oder nicht. Entscheidend war, dass allein schon die
Vorstellung bei Holly etwas bewirkt hatte. Dass sie ihr genau im richtigen
Augenblick nahegebracht worden war, um ihr aus dem Schweigen herauszuhelfen.
Zauberei, Feen ... alles Begriffe aus einem Wörterbuch für Kinder, das er
nicht kannte, aus einer Fantasiewelt, die er schon lange verlassen und
vergessen hatte. Im Gegensatz zu Maggie
Weitere Kostenlose Bücher