Lisa Kleypas
»Collins. Und ich ziehe es ebenfalls vor, ehrlich zu
sein.«
»Und warum
haben Sie ihr dann erzählt, das sei ein verzaubertes Schneckengehäuse? Und in
dem Häuschen da drüben an der Wand wohne eine Fee?«
Maggie
runzelte leicht die Stirn und riss den Kassenbon von der Rolle ab. »Es geht um
Fantasie, Einbildungskraft, Spiel. Sie verstehen nicht allzu viel von Kindern,
oder?«
Kaum hatte
sie das gesagt, wurde ihr klar, dass ihn ihr kleiner Seitenhieb härter
getroffen hatte, als es ihre Absicht gewesen war. Mark Nolans Gesichtsausdruck
änderte sich nicht, aber sie sah, wie leichte Röte in seine Wangen stieg.
»Ich bin
vor sechs Monaten zu Hollys Vormund bestellt worden. Ich lerne noch. Aber eine
meiner Regeln lautet, sie nicht an Dinge glauben zu lassen, die es nicht
gibt.«
»Es tut mir
leid«, erwiderte Maggie mit aufrichtigem Bedauern. »Ich wollte Sie nicht
verletzen. Aber dass Sie etwas nicht sehen können, bedeutet noch lange nicht,
dass es dieses Etwas nicht gibt.« Sie lächelte ihn entschuldigend an.
»Wollen Sie den Kassenbon nehmen, oder soll ich ihn in die Einkaufstüte
legen?«
Mit seinen
faszinierenden Augen fixierte er so intensiv ihren Blick, dass ihr Gehirn sich
verhielt wie ein Computer beim Drücken des Reset-Knopfes und sie keinen klaren
Gedanken mehr fassen konnte.
»In die
Tüte.«
Er war ihr
so nah, dass sie seinen Duft wahrnehmen konnte, einen erstaunlich guten Geruch
nach altmodischer heller Seife, Meersalz und einem Hauch von Kaffee. Langsam streckte
er ihr die Hand entgegen.
»Mark
Nolan.«
Sein
Händedruck war kräftig, die Hand warm und rau. Die Berührung ging Maggie durch
und durch, in ihrem Bauch flatterten plötzlich Schmetterlinge. Zu ihrer Erleichterung
klingelte im selben Moment die Ladenglocke, und jemand betrat das Geschäft.
Hastig entzog sie Mark ihre Hand und rief dem Eintretenden ein aufgesetzt
fröhliches »Hallo!« entgegen. »Willkommen im Magic Mirror.«
Nolan ...
Mark ... starrte sie immer noch an. »Woher kommen Sie?«
»Aus
Bellingham.«
»Warum sind
Sie nach Friday Harbor gezogen?«
»Ich
dachte, das wäre genau der richtige Standort für diesen Laden.« Maggie
zuckte leicht die Achseln, um klarzustellen, dass es zu weit führen würde, im
Einzelnen zu erklären, warum sie hierhergezogen war. Das schien ihn jedoch
nicht zu kümmern. Er stellte seine Fragen freundlich, aber mit Nachdruck, nahm
jede ihrer Antworten genau unter die Lupe und hakte immer wieder nach.
»Haben Sie
hier Familie?«
»Nein.«
»Dann
müssen Sie einem Mann gefolgt sein.«
»Nein, ich
... Warum glauben Sie das?«
»Wenn eine
Frau wie Sie hierherkommt, dann steckt für gewöhnlich ein Mann dahinter.«
Sie
schüttelte den Kopf. »Ich bin Witwe.«
»Das tut
mir leid.« Sein fester Blick entfachte ein heißes, zittriges und nicht
unbedingt unangenehmes Gefühl in ihr. »Wie lange schon?«
»Fast zwei
Jahre. Ich kann nicht ... Ich rede nicht gern darüber.«
»Ein
Unfall?«
»Krebs.«
Sie war sich seiner Nähe, seiner vitalen, männlichen Lebenskraft so sehr
bewusst, dass sie wieder über und über rot geworden war. Es war schon sehr
lange her, dass sie sich von einem Mann so intensiv angezogen gefühlt hatte,
und sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. »Freunde von mir leben in
Smugglers Cove. An der Westküste ...«
»Ich weiß,
wo das ist.«
»Oh, ja,
natürlich, Sie sind hier aufgewachsen. Nun ja, meine Freundin Ellen wusste,
dass ich irgendwo einen Neuanfang machen wollte, nachdem mein Mann ... nachdem
...«
»Ellen
Scolari? Der Ehemann heißt Brad?«
Maggie zog
überrascht die Brauen hoch. »Sie kennen sie?«
»Es leben
wenige Leute auf der Insel, die ich nicht kenne.« Seine Augen verengten
sich nachdenklich. »Die beiden haben nichts von Ihnen erzählt. Wie lange
...« Ein leises Flüstern unterbrach ihn.
»Onkel
Mark.«
»Einen
Augenblick, Holly, ich ...« Mark brach mitten im Satz ab und erstarrte. Es
war schon beinahe belusti gend, zuzusehen, wie er langsam begriff, was soeben
geschehen war. Vollkommen verblüfft schaute er auf seine Nichte hinunter.
»Holly?« Er klang völlig außer Atem.
Das Mädchen
lächelte ihn unsicher an und stellte sich auf die Zehenspitzen, um Maggie das
Schneckenhaus über den Tresen reichen zu können. Dann fügte sie zögernd, aber
in deutlich vernehmbarem Flüsterton hinzu: »Sie heißt Clover.«
»Die
Fee?«, fragte Maggie mit gedämpfter Stimme, während sich ihr die
Nackenhaare
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