Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren
Augenblick gekommen, mich einzumischen. Ich konnte unmöglich Heming die Sache allein ausfechten lassen.
„Und noch eines, Lisbeth“, sagte ich. „Du mußt versuchen, früher ins Bett zu kommen. Du brauchst eine Menge Schlaf. Vorläufig nimmst du keine Einladung mehr an – hörst du? Zuerst die Versetzung – und dann das Vergnügen.“
Lisbeth ist nicht dumm – beinahe hätte ich gesagt: leider. Sie sah uns an – zuerst Heming, dann mich, und dann wieder Heming. Sie kniff einen Augenblick den Mund zusammen. Und als sie ihn wieder zum Sprechen öffnete, hatte ihre Stimme einen unverschämten Tonfall.
„Oh! – Ja so! Da also liegt der Hund begraben!“
„Hier liegt kein Hund begraben, Lisbeth. Sei vernünftig! Ein siebzehnjähriges Mädchen kann nicht gleichzeitig Sport treiben, auf den Bummel gehen und für die Versetzung arbeiten. Deshalb meinen wir, du solltest dich vorläufig auf die Schule konzentrieren.“
„Merkwürdig, wie besorgt ihr plötzlich geworden seid“, sagte Lisbeth spitz. „Früher habt ihr alles mir selber überlassen, und es ist auch ganz gut gegangen.“
„Früher hast du auch erheblich mehr Interesse für die Schularbeiten gezeigt als in der letzten Zeit. Wir haben uns nicht eher eingemischt, als es unbedingt notwendig wurde. Nicht wahr?“ Lisbeth verzog trotzig den Mund.
„Übrigens ist es ein furchtbarer Unsinn, noch weiter aufs Gymnasium zu gehen“, bemerkte sie plötzlich. „Angenommen, ich verheirate mich früh, dann kann ich das Abitur ja gar nicht gebrauchen.“
„Besser, man hat etwas, was man nicht gebrauchen kann, als man braucht etwas, was man nicht hat“, sagte Heming. „Du mit deinen Kenntnissen in den sprachlichen Fächern – es war ja noch schöner, wenn du nicht das Abitur machen wolltest. Übrigens ist es erst ein paar Monate her, daß du sagtest, du wollest so tüchtig in den Sprachen werden wie die Mutter und Lehrerin am Gymnasium werden, wie ich es bin.“
„In ein paar Monaten kann viel geschehen“, sagte Lisbeth. „Und im übrigen werde ich die Versetzung schaffen – auch wenn ich weiterhin reite und hin und wieder mal am Abend ausgehe.“
„Gut“, sagte Heming. „Dann mußt du so freundlich sein, ein Verbot hinzunehmen. Du darfst nicht reiten, nicht Tennis spielen und nicht am Abend ausgehen, solange du nicht versetzt bist.“
„Ich bin kein Schoßkind! Diese Besorgtheit ist wirklich rührend, das muß ich schon sagen, aber glaubt mir, es kleidet euch verdammt schlecht, plötzlich Eltern mit Goldbrille zu spielen!“
Die Tür krachte hinter ihr ins Schloß.
Heming fuhr hoch. „Da soll doch…!“ Er wollte ihr nachlaufen; aber ich hielt ihn zurück.
„Warte Heming! Das muß für heute genügen. Sie ahnt ja nicht, wie unverschämt sie war. Aber sie verträgt nicht mehr auf einmal.“
Heming setzte sich wieder hin und seufzte so schwer, daß ich lachen mußte.
„Laß uns auf alle Fälle froh sein, daß der erste Schritt getan ist“, sagte ich. „Wenn wir über die Zeit bis zum Beginn der Sommerferien nur gut hinwegkommen, so wird alles viel leichter.“
Beim Abendessen war Lisbeth stumm und mürrisch. Als wir fertig waren und Peik im Bett lag, kam es:
„Soll das heißen, daß ich morgen nicht Quadrille reiten darf? Es ist zu spät, noch abzusagen, und ich kann nicht mehr ersetzt werden. Wenn es aber nicht acht sind, ist die Quadrille ja nicht möglich.“
Heming und ich wechselten schnell einen Blick. Erling Boor war in England. Warum sollte Lisbeth also nicht noch einmal Quadrille reiten?
„Wir wollen nicht starrsinnig sein“, sagte Heming. „Geh also morgen zur Reitstunde. Aber richte dem Reitlehrer aus, daß du erst nach den Ferien wiederkommst.“
Lisbeth antwortete nicht, aber ich stellte in ihrem Gesicht einen Ausdruck der Erleichterung fest.
Sie kam vom Reiten zu normaler Zeit nach Hause und war sichtlich gut gelaunt. Heming war fortgegangen. AlsLisbeth und ich nach dem Abendessen allein waren, konnte sie sich nicht länger beherrschen.
„Sieh mal hier, Mutti!“
An ihrem festen braunen Arm glitzerte ein Armband, ein sehr schönes Armband aus Gold, das geschmackvoll gearbeitet war.
„Hast du es heute bekommen?“
„Ja. Erling hat es aus England mitgebracht. Ist es nicht hübsch?“
„O doch“, sagte ich. „Sehr hübsch. Aber Lisbeth…“
„Uff, Mutti, ich weiß, was du sagen willst. Daß es nicht angeht, von einem Herrn Geschenke anzunehmen. Doch das ist eine altmodische Auffassung. Niemand
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