Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren
weiterhin nichts geschehen. Jedenfalls nicht von Seiten Erling Boors!“
Nils lachte. „Gut, daß du Vorbehalte machst“, sagte er. „Lisbeth ist ein zu aufrichtiges und kluges Mädchen für den Burschen. Laß sie sich normal entwickeln, laß sie mit Gleichaltrigen verkehren und laß sie nach Hause einladen, wen sie will…“
„Das hat sie immer gedurft“, sagte ich.
„Dann halte es weiter so“, sagte Nils. Er machte jetzt wieder ein ernstes Gesicht. „Weißt du, Steffi, ihr seid zu jung, um mit dieser Sache fertig zu werden. Ihr seid zu jung, um eine siebzehnjährige Tocher zu haben. Bisher ist es gut gegangen, weil einfach keine Schwierigkeiten aufgetreten sind. Aber in dem Augenblick, da die Schwierigkeiten kommen – ja, dann seid ihr also zu jung. Ihr habt nicht die Erfahrungen, ihr habt nicht die richtige Überlegenheit und Autorität, nicht…“
„… goldene Brillen und Kaffeekränzchen“, schlug ich vor.
„Richtig!“ sagte Nils. „Und wenn Lisbeth ins Unglück gerät, dann verdient nicht sie die Prügel, sondern ihr: du und Heming. Daß du es nur weißt!“
9
Als Heming und ich uns am Abend hingelegt hatten, berichtete ich ihm, was Nils gesagt hatte. Er hatte die Hände im Nacken verschränkt und hörte stirnrunzelnd zu.
„Ja“, sagte er schließlich. „Nils hat recht. Aber er begreift wohl nicht ganz, wie schwierig das für uns ist. Eines aber können wir jedenfalls tun. Wir können das Examen als Vorwand benutzen, um Lisbeth das Bummeln zu verbieten. Natürlich in aller Freundschaft. Sie wird für den Rest des Sommers mit dem Reitunterricht aussetzen. Wir sagen, sie könne im Herbst den Unterricht wieder aufnehmen.
Auch mit dem Tennis muß sie vorläufig aufhören. Da das Tennisspielen mit Erling Boor ja nichts zu tun hat, kann das Verbot sie nicht verletzen. Dann verbieten wir ihr jedeArt von Soupers, Tanzvergnügen und nächtlichen Autofahrten – jedenfalls vorläufig, bis sie versetzt ist.“
„Und dann fahren wir mit dem ersten Zug nach Geilo in die Ferien“, ergänzte ich.
„Richtig!“ sagte Heming. „Im übrigen, Steffi, schäme ich mich wie ein Hund. Es ist wirklich schlimm, daß wir ruhig zugesehen haben, wie ein siebzehnjähriges Mädchen sich zum Souper einladen ließ, Champagner trank und zur nächtlichen Zeit herumbummelte. Abgemacht – wir müssen nun zu einem kategorischen Verbot übergehen. Aber weißt du – “ jetzt lächelte Heming, indem er mir – fast als schäme er sich – einen verstohlenen Blick zuwarf – „ich bringe es einfach nicht fertig, Lisbeth gegenüber einen gebieterischen Ton anzuschlagen. Sie ist immer unser kleiner Kamerad gewesen, weißt du – und es widerstrebt mir, der gestrenge und unerbittliche Vater zu sein…“
„Mir geht es genauso“, gestand ich. „Aber wir müssen, Heming. Das heißt, wir können natürlich versuchen, die Sache mit ihr zu besprechen. Es wäre das beste, wenn wir uns mit ihr auf eine friedliche Weise einigen könnten – aber nützt das nicht, so…so…“
„… so sehen wir uns gezwungen, auf den Tisch zu schlagen, ob wir nun Lust haben oder nicht“, ergänzte Heming mit einem Seufzer.
„Eines ist auf jeden Fall gut“, sagte ich, „daß wir beide uns einig sind.“
Ich mußte fast über mich selber lachen; aber ich hatte tatsächlich Herzklopfen, als der nächste Tag, an dem die Schlacht geschlagen werden sollte, gekommen war.
Gleich nach dem Mittagessen ging es los.
„Nun hör einmal zu, Lisbeth“, sagte Heming mit ruhiger und freundlicher Stimme. „Ich glaube fast, es wird das beste sein, du gibst das Tennisspielen und Reiten für den Sommer auf. Ich habe so leise das Gefühl, als müßtest du unbedingt für die Versetzung arbeiten.“
„Ja, aber ich kann doch beides ganz gut miteinander vereinen“, wandte Lisbeth ein.
„Nein“, sagte Heming. „Es wird zuviel für dich. Vergiß nicht, Lisbeth, daß du das Gymnasium besuchst – und ich weiß so ungefähr, wie es mit dir auf der Schule steht.“
„Du denkst nur an die Mathematik“, entgegnete Lisbeth. „In der Mathematik werde ich auch nicht besser, wenn ich aufhören soll, Tennis zu spielen und zu reiten.“
„Sag das nicht“, meinte Heming. „Du weißt, daß Tennis und Reiten, und was du sonst alles unternimmst, deine Gedanken ziemlich stark in Anspruch nehmen. Also, wie gesagt, bis zum Herbst setzen wir damit aus.“
Lisbeth sah eher verwundert als empört aus. Dies war etwas Neues für sie. Jetzt war der
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