Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren
nimmt das heute mehr so feierlich. Und du, Mutti, – ich will dir etwas Feines erzählen. Daran kannst du vielleicht sehen, daß es zwischen Erling und mir nicht bloß eine flüchtige Bekanntschaft ist.“
Ihre Augen glänzten, ihre Wangen glühten. Noch nie hatte ich mein kleines Mädel so schön gesehen.
„Du – Erling baut sich ein Schiff. Ein Schiff, das sein persönliches Eigentum ist. Du weißt ja, die anderen Schiffe gehören der Firma. Aber dieses wird Erlings eigenes Schiff. Sechstausend Tonnen. Und – es könnte möglich sein, daß ich dieses Schiff taufe! Mit Sektflasche und allem. Und wer ein Schiff tauft, erhält ein Diamantenarmband und ein großes Bukett. Und vielleicht kommt es in die Wochenschau. Hast du da nicht Respekt vor mir, Ma? Denke dir, du kannst da vielleicht sagen: ,Ja, das junge Mädchen, das Boors neues Schiff getauft hat, ist meine Tochter’.“
Respekt? Ich konnte mir viele Dinge denken, die eher geeignet gewesen wären, mir Respekt vor Lisbeth einzuflößen. Und viele Dinge, über die ich mich mehr gefreut hätte,als darüber, daß meine siebzehnjährige Tochter in der Wochenschau mit einem Blumenstrauß und einer Flasche schäumenden Sektes unter dem Bug von Erling Boors Schiff zu sehen sein sollte.
„Weshalb sagst du, ,vielleicht’?“ sagte ich matt. „Es ist also nicht bestimmt?“
Ein Schatten glitt über Lisbeths Gesicht.
„Erling sagte vielleicht’. Es müssen wohl manche Rücksichten genommen werden. – Aber ich weiß nicht, warum er ,vielleicht’ gesagt hat. Ich…“
Mein Herz war voller Sorgen, als ich meine Tochter anblickte.
Ich wußte es nämlich.
10
Die Explosion erfolgte am Samstag.
Lisbeth hielt sich in ihrem Zimmer auf, Peik war bei seinem Busenfreund Jan, und Heming und ich faulenzten friedlich im Wohnzimmer und waren mit keiner größeren Sorge beschäftigt als mit der Frage, ob wir vor dem Abendessen noch einen Spaziergang machen sollten.
Da hörten wir auf der Treppe tastende Schritte. Heming und ich wechselten einen Blick. Ich trat an die nur angelehnte Tür und blickte hinaus.
„Hallo, Lisbeth! Wo willst du hin?“
„Bloß etwas ‘rausgehen.“
„Komm doch einen Augenblick herein!“
Sie kam – sehr langsam und sehr zögernd. Sie hatte ihren Mantel an und raffte ihn fest zusammen.
„Wo willst du hin?“
„Bloß etwas ‘raus.“
Mein scharfer Blick entdeckte ihr neues Kleid unter dem Mantel.
„Etwas ‘raus? In dem Kleid?“
„Ja – es – es ist ja Samstag…und ich kann ja morgen lange schlafen…da macht es wohl nichts, wenn ich etwas ausgehe…“
Heming richtete seine Augen voll und sehr ernst auf Lisbeth.
„Wir hatten uns dahin geeinigt, daß du am Abend überhaupt nicht ausgehst, solange du nicht versetzt bist.“
„Wir waren uns durchaus nicht einig! Ihr allein habt das gesagt!“
„Jawohl. Und wir meinten es auch so. Zieh dir ein anderes Kleid an, Lisbeth. Ein Wort ist ein Wort. Du gehst heute abend nicht aus.“
„Aber Vati – jetzt wartet Erling auf mich… das heißt, er ist sicher auf dem Wege hierher, um mich abzuholen…du willst doch wohl nicht etwa, daß ich zu ihm sagen soll, ich dürfe nicht ausgehen…“ Ihre Stimme zitterte.
„Du kannst sagen, was du willst, meine Liebe. Du hattest Zeit genug, schon im voraus dankend abzulehnen.“
„Aber Vati!“ Lisbeths Worte waren verzweifelt und flehentlich. „Ich – ich konnte doch nicht ahnen, daß ihr etwas einwenden würdet, da es doch ein Samstag ist. – Und jetzt kommt Erling – und ich soll sein Schiff taufen… Glaubt ihr vielleicht, ich darf ein Schiff taufen, wenn ich wie ein Kind – wie ein kleines Schulmädchen behandelt werde…“
Jetzt brauste Heming auf.
„Du bist ein Schulmädchen, und deshalb wirst du wie ein Schulmädchen behandelt. Zweimal ist es dir geglückt, uns zu überrumpeln, Lisbeth. Ein drittes Mal geht das nicht. Jetzt gehe sofort nach oben und zieh das Kleid aus. Dukannst in deinem Zimmer bleiben oder in die Wohnstube kommen – ganz wie du willst – aber aus dem Bummel heute abend wird nichts.“
Lisbeth wurde ganz weiß im Gesicht. Sie blickte abwechselnd auf Heming und auf mich. Dann trampelte sie auf den Fußboden und schrie:
„Ihr seid gemein! Plötzlich findet ihr, daß es Spaß macht, die strengen Eltern zu spielen! Und ich soll das nun ausbaden! In der letzten Sekunde zu kommen und mir etwas zu verbieten – und mich vor einem Freund lächerlich zu machen – das ist so gemein, so
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