Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren
still meine Hand. Es folgte eine kurze Pause. Lisbeths Augen hingen an meinem Gesicht. Dann wandte sie den Blick ab und betrachtete forschend Marianne.
Marianne schloß die Augen und legte den Kopf zurück. Sie sprach sehr leise. Ihre Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen.
„Mein Vater ist reich. Er hat eine gute Stellung und ist mächtig ehrgeizig. Mutter war Schauspielerin. Vater verliebte sich in sie und heiratete sie. Ein Jahr später wurde ich geboren. Wir wohnten in einer schönen Villa außerhalb Bergens, hatten ein Auto mit Chauffeur, einen Tennisplatz, ein großes Segelboot, drei Mädchen, einen Gärtner und - nun ja… Es war so viel, daß es Mutter den Atem verschlug. Anfangs machte die Pracht großen Eindruck auf sie. Aber gleichzeitig fühlte sie sich beklommen. Vater verlangte, sie solle von der Bühne Abschied nehmen und nur noch Hausfrau und Wirtin sein.
Aber er hatte sich ja in die Schauspielerin verliebt. Jetzt, als die Mutter ihrem Beruf entsagt hatte und Hausfrau geworden war, nahm die Verliebtheit ein Ende. Und nun begann die Kritik. Alles, was Mutter tat, war in seinen Augen verkehrt. Natürlich machte die Arme auch viele Fehler. Das war wohl unvermeidbar. Und so wurde sie nervös und ängstlich und schlaflos und----sie nahm ab, wurde mager und– freudlos – und war in gar keiner Weise die strahlende Wirtin, die Vater brauchte. Sie machte eine so wenig glückliche Figur, daß es Vater kein Vergnügen mehr bereitete, sie als seine Frau vorzustellen.
Das alles hat Mutter mir selber erzählt. Sie ist sehr gerecht, müßt ihr wissen, sie versucht, Vater zu entschuldigen und die Dinge mit seinen Augen zu sehen.
Nun wollte Vater bei mir nachholen, was er bei Mutter nicht hatte erreichen können. Hatte er keine Frau, auf die er stolz sein konnte, so wollte er wenigstens eine Tochter haben, die imstande war, sein Leben zu teilen. Ich bekam eine französische Gouvernante, aber ich war ganz verzweifelt darüber und weinte, weil ich mit ihr französisch sprechen mußte, anstatt mit meiner Mutter norwegisch zu sprechen. Dann bekam ich ein Pony, vor dem ich im Grunde genommen Angst hatte. Aber reiten sollte ich nun einmal! Ich wurde regelrecht dressiert. Der Erfolg war, daß ich mit acht Jahren unglücklich und verängstigt war. Vor Vater hatte ich eine solche Angst… aber ihr dürft mich nicht falsch verstehen. Er war nicht im eigentlichen Sinne brutal. Er schlug nie, und er bestrafte mich nie. Er kommandierte bloß, ordnete an und verlangte.
Schließlich wurden Vater und Mutter geschieden. Da verlor Vater alles Interesse für mich. Mutter und ich zogen nach Oslo und wohnten bei Verwandten. Sie versuchte wieder bei einem Theater unterzukommen, aber sie war so lange von der Bühne fort gewesen, und ihr Äußeres hatte so verloren…Da machte sie den Versuch, Arbeit als Übersetzerin zu erhalten…“ Marianne lächelte und blickte zu mir herüber – „Aber sie war wohl nicht so tüchtig wie gewisse andere Leute…“
Ich hatte die kleine Szene nicht vergessen und erinnerte mich sehr wohl der kleinen, bleichen und vergrämten Dame, mit der ich in der Tür meines Verlegers zusammengetroffen war.
„Vater hielt es nicht für notwendig, sich unseretwegen in große Unkosten zu stürzen. Es fiel Mutter sehr schwer, ihre Forderungen durchzusetzen. Sie war in diesen Dingen nicht besonders tüchtig, und Vater hatte einen sehr geschickten Rechtsanwalt… Aber was sollen wir darüber reden – etwas Geld bekamen wir ja. Aber dann kam der Krieg. Ihr wißt ja, wie teuer alles wurde und mit welchen Schwierigkeiten man zu kämpfen hatte. Mutter lernte Putzmacherei. Das war eine Sache, die ihr lag. Sie ist sehr fingerfertig.
Mutter ist der liebste und beste Mensch von der Welt. Sie ist indessen immer gehemmt, wenn sie neue Menschen kennenlernen soll. – Kurz, sie ist voller Minderwertigkeitsgefühle – ich kann es kaum verstehen, daß sie einmal auf einer Bühne getanzt und gesungen und großen Erfolg gehabt hat.“
Ich konnte es verstehen. Ich begriff, daß Carls geistige Tyrannei einem jungen Mädchen alle Lebensfreude nehmen und es zu einer ängstlichen, unsicheren und unglücklichen Frau machen konnte.
„Ich muß zugeben, daß ich gegen Vater bittere Gefühle hege“, fuhr Marianne fort, und jetzt war ihre Stimme fast nur noch ein Flüstern. „Ich war daher froh, als Mutter ihren Mädchennamen wieder annahm und auch ich ihn bekam. Ich heiße lieber Vesterholm als Lövold.“
„Wie geht es
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