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Literaturgeschichte der USA

Literaturgeschichte der USA

Titel: Literaturgeschichte der USA Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Klarer
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auffällige Zeichen von Benjamin Franklins Handschrift. Ein Beispiel soll hier genügen: Franklin ersetzt im Satz «We hold these truths to be sacred and undeniable» – «Diese Wahrheiten halten wir für heilig und unanfechtbar» – den Passus «sacred and undeniable» durch «self-evident»[ 31 ], «selbstverständlich»[ 32 ]. Es ist, als wollte sich Franklin mit dieser Wortwahl von der puritanisch-religiös bestimmten Vergangenheit abkehren und der vernunftbetonten neuen Ära der Aufklärung zuwenden.
    In der frühen Republik wurde in der Folge vor allem die Gattung des Romans für die amerikanische Situation adaptiert. Der moderne Roman, wie er auch heute noch existiert, wurde im England des 18. Jahrhunderts entwickelt, wobei wichtige soziokulturelleFaktoren wie eine kaufkräftige Mittelschicht, allgemeine Lesekompetenz und die mechanische Reproduzierbarkeit der Texte durch billige Drucke zum Aufstieg dieser neuen Gattung beitrugen. In den USA entwickelte sich der Roman erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts und übernahm oder adaptierte dabei Themen, die auch im britischen Roman tonangebend waren.
    Eine der wichtigsten Untergattungen stellte zu dieser Zeit die
sentimental novel
dar, die vor allem auf die «Empfindsamkeit» des Lesers bzw. der Leserin abzielt. Die Handlungsstränge dieser sentimentalen Romane führen immer wieder zu Schicksalen von Frauen, die durch männliche, großteils sexuelle Gewalt in eine prekäre Lebenssituation geraten. Großes Vorbild dieses Genres waren Samuel Richardsons (1689–1761) englische Erfolgsromane
Pamela: Or, Virtue Rewarded
(1740) und
Clarissa. Or, the History of a Young Lady
(1748), die um die Bedrängung eines jungen Mädchens angelegt sind. Ein wichtiges amerikanisches Beispiel ist
William Hill Brown
s (1765–1793)
The Power of Sympathy
(1789), das gleich vier tragische Frauenschicksale thematisiert, die teilweise in Selbstmord enden. Auch
Hannah Foster
s (1758–1840) sentimentaler Briefroman
The Coquette; or, The History of Eliza Wharton
(1797) dreht sich um sexuelle Verführung als zentrales Motiv und endet schließlich nach einer ungewollten Schwangerschaft mit dem Tod der Protagonistin.
    Interessant an den sentimentalen Romanen ist die Frage nach dem Grund für die Popularität dieser mitleiderregenden Handlungen. Bereits im 18. Jahrhundert beschäftigte sich der englische Philosoph Edmund Burke damit, warum Personen am Leiden anderer Interesse finden. Nach Burkes Ansicht erzeugt das Leid einer anderen Person im Betrachter Interesse, ja ein fast paradox anmutendes Vergnügen. Durch diese voyeuristische «Lust» setzt sich der Beobachtende mit dem Leid anderer auseinander und erhöht dadurch die Wahrscheinlichkeit, etwas gegen dieses Leid zu unternehmen. Es sei dahingestellt, ob Burke mit seiner Erklärung Recht hat oder nicht. Wichtig ist aber allemal, dass der sentimentale Roman so indirekt eine philosophische Legitimierung erhielt, die ihm einen didaktischen bzw. humanitärenWert zuschreibt. Dies war insbesondere deshalb wichtig, da der frühe Roman oft als Gefahr für die Leserinnen im Sinn einer moralischen Korrumpierung erachtet wurde.
    Die Gefahr, die vom Lesen von Romanen ausgeht, wird vor allem im pikaresken Roman behandelt, der in Europa mit
Don Quijote
(1605/1615) bereits eine lange Tradition besaß. In Anlehnung an direkte britische Vorbilder verfasste
Tabitha Tenney
(1762–1837) mit
Female Quixotism
(1801) einen abenteuerlich-satirischen Roman über eine durch zu viel Lektüre an Realitätsverlust leidende weibliche Heldin. Aufgrund ihrer von der Literatur zu hoch gesetzten Ziele in der Partnerwahl geht sie schlussendlich leer aus und wird zur Belustigung ihres Umfeldes.
    Neben sentimentalen und pikaresken Romanen übernahm Amerika in der frühen Republik aber auch die in Europa äußerst erfolgreiche Gattung des Schauerromans, die mit Horace Walpoles (1717–1797)
The Castle of Otranto
(1764) in England ihren Ausgang nahm. Diese Schauerromane, die meist in mittelalterlichen europäischen Burgen angesiedelt sind, stellten an das junge Amerika natürlich in der Adaption ganz besondere Anforderungen, da es diese typischen Handlungsorte des englischen Schauerromans in den USA nicht gab. Dies veranlasste den amerikanischen Autor
Charles Brockden Brown
(1771–1810) im Vorwort zu seinem Roman
Edgar Huntly, Or, Memoirs of a Sleepwalker
(1799) über dieses Problem zu reflektieren und zu dem Schluss zu kommen, dass für den amerikanischen Schauerroman

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