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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Cleave
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Luft ein.
    Als wir zum Haupttor kamen, blieben wir vier einen Augenblick stehen. Wir schauten durch den hohen Stacheldrahtzaun die Hänge des Black Hill hinunter. Die englische Landschaft erstreckte sich bis zum Horizont. In den Tälern hing weicher Nebel, und die Gipfel der Hügel leuchteten golden in der Morgensonne, und ich lächelte, weil die ganze Welt frisch und neu und hell war.

    *

    Vom Frühjahr 007 bis zum Ende jenes langen Sommers, in dem Little Bee kam, um bei uns zu leben, zog mein Sohn sein Batmankostüm nur zum Baden aus. Ich bestellte ein zweites Kostüm, das ich gegen das andere austauschte, während er in der Badewanne planschte, damit ich wenigstens den Kinderschweiß und die Grasflecken auswaschen konnte. Gegen Superverbrecher zu kämpfen war eine schmutzige Angelegenheit, bei der man grüne Knie bekam. Wenn es nicht Mr. Freeze mit seinem heimtückischen Eisstrahl war, dann der Pinguin - Batmans Todfeind - oder, schlimmer noch, Artie, der Papageientaucher, dessen abgrundtiefe Bosheit den ursprünglichen Schöpfern des Batman-Unternehmens unerklärlicherweise entgangen war. Mein Sohn und ich hatten die Konsequenzen zu tragen - ein Haus voller schurkischer Gefolgsleute, Schergen und Handlanger, die hinter dem Sofa hervorlinsten, in dem schmalen Spalt neben dem Bücherregal finster gackerten und grundsätzlich planlos angriffen. Ein Schock folgte auf den anderen. Ob schlafend oder wachend, mein vierjähriger Sohn war allzeit bereit. Es war unmöglich, ihn von der dämonischen Fledermausmaske, dem Lycra-Anzug, dem glänzenden gelben Gerätegürtel und dem pechschwarzen Umhang zu trennen. Und es hatte keinen Zweck, ihn bei seinem Vornamen anzusprechen. Er blickte sich nur um, legte den Kopf schief und zuckte mit den Schultern - als wollte er sagen: Meine Fledermaussinne können hier keinen Jungen dieses Namens entdecken, Madam. Der einzige Name, auf den mein Sohn in diesem Sommer hörte, war »Batman«. Auch hatte es keinen Sinn, ihm zu erklären, dass sein Vater gestorben war. Mein Sohn glaubte nicht an die Möglichkeit des körperlichen Todes. Der Tod war etwas, das nur eintrat, wenn man die üblen Pläne der Bösen nicht ständig durchkreuzte - und das war natürlich undenkbar.
    In jenem Sommer, dem Sommer, in dem mein Mann starb, hatten wir alle eine Identität, von der wir uns ungern trennen wollten. Mein Sohn hatte sein Batmankostüm, ich benutzte noch den Namen meines Ehemannes, und obwohl Little Bee relativ sicher bei uns war, klammerte sie sich an den Namen, den sie in einer Zeit des Schreckens angenommen hatte. In jenem Sommer waren wir Exilanten, die vor der Realität geflohen waren. Wir flüchteten vor uns selbst.
    Gewiss ist es die natürlichste Sache der Welt, vor der Grausamkeit zu fliehen. Und das Timing, das uns in jenem Sommer zusammenführte, war überaus grausam. Little Bee rief an dem Morgen an, an dem sie aus der Abschiebehaft entlassen wurde. Mein Mann nahm den Anruf entgegen. Ich fand erst viel später heraus, dass sie am Telefon gewesen war - Andrew sagte mir nichts davon. Anscheinend hatte sie erklärt, sie sei unterwegs zu uns, und er fühlte sich einer neuerlichen Begegnung wohl nicht gewachsen. Fünf Tage später erhängte er sich. Man fand meinen Ehemann mit den Füßen in der Luft, sie berührten den Boden keines Landes. Der Tod ist eine Zuflucht. Dorthin gehst du, wenn du dich auch mit einem neuen Namen oder einer Maske und einem Umhang nicht länger vor dir selbst verstecken kannst. Dorthin läufst du, wenn dir keines der Fürstentümer deines Gewissens Asyl bieten will.
    Fünf Tage, nachdem mein Mann gestorben war, und zehn Tage, nachdem man sie aus der Abschiebehaft entlassen hatte, klopfte Little Bee an meine Haustür. Nach einer Reise von achttausend Kilometern und zwei Jahren Dauer kam sie zu spät, um Andrew noch lebend anzutreffen, aber gerade rechtzeitig zu seiner Beerdigung.
    Little Bee kam um acht Uhr morgens, und der Bestatter klopfte um zehn. Keine Sekunde früher, keine Sekunde später. Ich vermute, dass er schon einige Minuten vor unserer Haustür gestanden, auf die Uhr gesehen und gewartet hatte, bis unser beider Leben an jener präzisen Bruchlinie aufeinandertrafen, an der unsere Vergangenheit mit drei leisen Schlägen des schimmernden Messingtürklopfers von unserer Zukunft abgespalten werden konnte.
    Mein Sohn öffnete die Tür und registrierte die Größe des Bestatters, seinen tadellosen Maßanzug und sein ernstes Auftreten. Der Bestatter sah

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